Begegnung mit Schizophrenie – Das Wolfsmädchen

Augen

Du erkennst sie an den Augen. Eisgrau, klug, kalt. Wach und aufmerksam. Wie ein Wolf. Wie ihr schlanker Hund. Die Rasse legt freundlichen Egoismus an den Tag. Sie hatte ihn perfekt erzogen. Nicht nach Art des devoten Zirkushündchens. Da war ein Band zwischen ihnen, wo andere eine Leine brauchen. Der Hund orientierte sich an ihr und sie gab ihm Sicherheit. Jeder ging seiner Wege, aber wusste, wo der andere war. Sie scherte nicht, was andere erwarteten. Lebte ihren eigenen Rhythmus. Kam und ging wann es ihr passte. Nicht ungeschickt, aber sehr stur. Viele spürten, dass etwas nicht stimmt und hielten Abstand. Auch sie ließ niemanden nah an sich heran. Sie wollte sich alleine durchkämpfen. Ein Mädchen, das keine Beschützer braucht. Die ohne Sattel reitet und große Hunde einschüchtert.

Das Wolfsmädchen erzählt:

Wir hatten früher einen Rottweiler. Einmal wollte er sich mir widersetzen. Er saß auf einem Sessel, was er nicht durfte. Ich befahl ihm, zu gehen, doch er knurrte mich an. Da hab ich eine Pfanne genommen, und ihm eins über den Schädel gegeben. Er schaute richtig verdutzt. Dann trollte er sich und wir kamen von da an prima miteinander aus.

Sie verlor ständig ihr Telefon und war dann eine Weile nicht erreichbar.

Es schien ihr nicht weiter wichtig, sie setzte ihre eigenen Prioritäten. Lange hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Eines Abends rief sie mich unerwartet an: Kannst Du mir Geld leihen? Ich brauche 800 Euro für einen Flug nach China. Ich hab hier so ein paar Probleme und muss dringend weg.
Was denn für Probleme? fragte ich
Das wirst Du sehen, wenn sie zu dir kommen.
Eigentlich habe ich für so was kein Geld übrig.
Jetzt knurrte und bellte sie bedrohlich: Sie sind schon unterwegs. Du wirst es noch sehen.

Der Hund

Irgendwann im November

Die Wohnung spärlich beleuchtet. Sie trägt eine merkwürdige Plastiksonnenbrille mit rosa Rahmen. Ein Gespräch kommt nur schleppend in Gang. Sie hält sich wacker. Redet von einer Erkältung. Scheint wenig zu essen. Hat sie kein Geld oder vergisst sie es einfach? Der Hund ist weg. Auf dem Weg nach China abhanden gekommen. Die Reise ohne Visa endete in einem russischen Abschiebegefängnis. Und ab da ist der Hund angeblich getrennt nach Deutschland gereist. Und ward nicht mehr gesehen. Das Thema ist ihr unangenehm. Bald will sie mich wieder loswerden. Ich weiß nicht was ich tun könnte. Ich rede mir ein, ich habe besseres zu tun, als mich um jemanden zu sorgen, der sich nicht helfen lassen will.
Wird hier fortgesetzt
AW

Ein Gedanke zu “Begegnung mit Schizophrenie – Das Wolfsmädchen

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