
Das simple Rezept: Man bereite seine liebste Tomatensauce und lasse sie auf kleinster Flamme mindestens 4 Stunden köcheln. Pro Stunde verkocht ein gutes Glas Flüssigket, also regelmäßig Wasser nachfüllen, sonst rufen die Nachbarn die Feuerwehr.
A. ist ein überirdisch schöner Mensch aus Eritrea. Er sieht aus wie Lee Scratch Perry. Für mich war er „Black Moses“, eine schlanke, aufrechte Gestalt, dem man ins gelobte Land folgen mochte. Außerdem stellte mich A. seinem Dealer, einem leidenschaftlichen Bio-Bauern vor. Ich half ihm in einer schwierigen Phase und zum Dank lud er mich zum Essen ein. Nach dem Aufstehen, zur Mittagszeit also, kam ich hungrig in seine kleine Bude. Er fing auch sofort an zu kochen, briet Fleisch und Zwiebeln, dann kamen Tomaten, rote Linsen und ein eritreisches Geheimgewürz dazu. Jetzt begann der Kochprozess und A begann Joints zu bauen. Wir hockten oder lagen auf dem Boden, vor uns köchelte das Süppchen auf einer Kochplatte für die Steckdose. Wir plauderten über angenehmes, vergangenes und unangenehmes. Gerne erzählte A von Haile Selassi und Robert Mugabe und natürlich dem großen Nelson Mandela und ihrer enormen Bedeutung für das afrikanische Selbstbewusstsein. Von seiner Flucht aus Eritrea berichtete er ohne Gram. Am Bürgerkrieg hatte er teilgenommen, verweigerte aber Waffendienst. So trug er Munitionskisten an die Front, wo auch Frauen Kalaschnikows bedienten. Als er immer mehr kritische Fragen stellte, empfahlen ihm die Kameraden, das Land zu verlassen. Hier heiratete er aus Liebe eine Sozialarbeiterin und wohnte mit ihr in einem schönen großen Haus. Bis sie ihn rauswarf. Sie hatte Pflegekinder aufgenommen, die machten viel Arbeit. Volle Windeln mussten zum Müll gebracht werden. Für einen stolzen Mann wie A unzumutbar. Also zog er in die kleine Bude ohne Möbel und ohne Herd.
Nach Stunden bekamen wir Hunger und gingen zum Imbiß ein wenig Essen. Dann ging es weiter, Joints bauen, die Suppe bewachen, palavern. Nur wenn es um Kinderwindeln ging, konnte A auf einmal kein Deutsch mehr. Irgendwann Abends roch es unglaublich fruchtig, als ob geheime Aroma-Moleküle in den Tomaten geplatzt wären. Es schmeckte märchenhaft, ich ahnte, wie es schmecken könnte wenn A’s selige Mutter das selbe Gericht noch viel, viel länger hätte kochen lassen.
Im Winter merkte A dann, dass seine Bude keine Heizung hatte. Er entdeckte seine Liebe zu Kindern, ihren Bedürfnissen und zu seiner Frau wieder. Da blieb dann nicht mehr so viel Zeit zum Kochen und Kiffen.
AW