In einem Tempelbezirk liegen Massen von Bethelnuss zum Verkauf. Offenbar eine Alltagsdroge. Allerdings nur für die Alten und die Armen. Ich hab noch nicht probiert. Man riet mir dringend ab. Dieses Genußmittel vereinige sehr harmonisch die Nachteile von Kaffee und Zigaretten. Ich kann dem nicht recht folgen. Aber wahrscheinlich möchte niemand, dass ich bei ihm rumhänge und entspannt blutroten Schleim auf den Boden spucke. Das wiederum kann ich ganz gut verstehen.
Monat: Oktober 2015
Mittellange Pause – Dann komm ich wieder
Die Redaktion von meinedrogenpolitik begibt sich auf eine längere Bildungsreise. Für ein oder zwei Monate werde ich keine Kommentare beantworten können. Und leider kann ich auch nicht Eure interessanten und unterhaltsamen Beiträge lesen.
Falls mir unterwegs wichtige drogenpolitische Neuigkeiten widerfahren sollten, werde ich versuchen, das vom Mobiltelefon zu posten. Auch wenn ich von den kleinen Bildschirmen Augenkrebs kriege. Natürlich hatte ich mir vorgenommen, vier oder fünf Beiträge vorzuschreiben und automatisch zu veröffentlichen. Damit wöchentlich was erscheint und ich nicht in Vergessenheit gerate. Bis jetzt ist davon einer fertig geworden. Vielleicht wird es heute Nacht noch was mit dem zweiten.
Einen fröhlichen Herbst wünscht
Alice Wunder
Kokain verändert die Persönlichkeit
Mit Kokain wurde ich nie warm
Mich schreckte der hohe Preis. Schließlich zog ich als Jugendlicher eigene Drogen im Blumentopf. Kostenfrei, nur mit Sonne, Regen und der mütterlichen Gießkanne voller Blaukorn. Dann sind da die Vorurteile über mangelnde Qualität und Reinheit. Ein lieber Pilzfreund bereiste mal Südamerika, zum Koksen und um sich entführen zu lassen. Letzteres klappte nicht, kolumbianische Rebellen nehmen nicht jeden. Er kam heil zurück und berichtete, die Zusammensetzung der Droge ändere sich entlang der Handelsroute erheblich. So gibt es eine Stadt mit ungewöhnlich vielen Ärzten. Die behandeln auffallend viele, auffallend junge Herzpatienten. Ihr Geld verdienen sie aber mit Rezepten für Psychopharmaka und Schmerzmitteln. Damit verdoppeln zukünftige Herzpatienten das Volumen ihrer Handelsware. Klingt nicht seriös.
Das erste mal begegnete mir das Pulver auf einer Privatparty
Ein fröhlicher Abend, ich kam einem interessanten Menschen nahe und unterhielt mich angeregt. Da bot ein Bekannter Kokain an und ich probierte. Das Schnupfen machte tatsächlich Spaß, ganz anders als das ekelhafte Speed. Die Wirkung setzte unmittelbar ein, subtil und hintergründig, aber ziemlich allumfassend. Alle Sinne waren geschärft, die Welt erschien deutlicher. Wie wenn durch ein hochwertiges Fernglas alles etwas besser aussieht, als es ist. Ich war in eine Hülle aus klarem Panzerglas eingegossen. Leider schottete mich das auch von aller emotionalen Nähe ab. Im Entstehen begriffene zarte Bande rissen abrupt, jeder war Herrscher eines einsamen Königreiches. Andere Vergnügen, geraucht oder getrunken, wirkten nicht mehr. Ich erinnere einen nüchternen, gleichgültigen Heimweg.
Das mit den zarten Banden endete bei anderer Gelegenheit glücklich, das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls interessierte ich mich nicht weiter für Nasenpuder
Ein paar Jahre Später begegnete es mir wieder. In einem Club wurde ich eingeladen. Diese Mal bewirkte es eine schlimme Persönlichkeitsveränderung. Ich spürte wieder die soziale Taubheit. Nach dem gesagt war, was zu sagen war, ging ich nach Hause. Die fremden Leute interessierten mich nicht, das wurde mir auf schärfste bewusst. Zuhause nun war ich wach, nicht getrieben oder unruhig. Ich ging umher und ordnete beiläufig Dinge. Und ehe ich mich versah, fand ich mich über eine Fläche gebeugt, mit einem Putzlappen in der Hand. Auch wenn es grauenhaft klingt, es muss niedergeschrieben werden: Ich putzte mit Eifer, Vergnügen und existenzieller Zufriedenheit meine Küche. Erschrocken hielt ich inne, ich erkannte mich selbst nicht wieder. Mit solch gefährlichem Unsinn wollte ich nichts zu tun haben. Die Nacht brachte ich mit Hilfe meiner Wasserpfeife herum. Von dem Weißen halte ich mich seit dem fern. Von Putzmittel auch. AW

Die Basisausrüstung für Küchenhygiene. Der kleine Gärtner mit der Gießkanne auf dem Schwamm ermahnt den vergeßlichen Kiffer: Immer alles schön feucht halten, damit die ganzen Pilzkulturen besser wuchern.
Kleine Wortgeschichte: Sucht kommt von suchen?
Eigentlich nicht. Im Althochdeutschen bedeutete ’suht‘ Krankheit. Noch heute erkennbar etwa an der Gelbsucht. Das Wort stammt höchstwahrscheinlich vom indogermanischen ’sug‘ für ’saugen‘. Das würde zu vorwissenschaftlichen Vorstellungen von saugenden Dämonen als Krankheitsursachen passen. Der heute verwendete Begriff ‚krank‘ bedeutete bis zur Neuzeit eher schwach oder gebrechlich. ‚Gesund‘ stand entsprechend für stark oder rüstig.
Ab etwa 1500 erfährt die Sucht im Deutschen einen Bedeutungswandel vom wertfreien Leiden hin zu lasterhaften Gier: Geldsucht und Gewinnsucht waren wohl mit die ersten Süchte, mit denen ein um Selbstkontrolle bemühtes Bürgertum zu kämpfen hatte. Bald folgten Rachsucht und natürlich Geilsucht. Mit Spielsucht und Freßsucht erschien auch bald die Trunksucht. Aber es waren immer Laster gemeint, also weniger Krankheiten als zwanghafte, antisoziale Verhaltensweisen. Im Dreißigjährigen Krieg etwa grassierte die Mordsucht ganz fürchterlich.
Schließlich erfindet die deutsche Romantik die Sehnsucht. Damit wird Sucht endgültig zum Gemütsleiden. Der Volksmund verknüpft sie jetzt lautmalerisch mit hoffnungsloser Suche. Die Geburt der Rauschmittelsucht steht kurz bevor. Passenderweise genossen die führenden Romantiker Novalis und Ritter gern Opium. Trunksucht und Opiumsucht sind seit Anfang des 19. Jahrhunderts gebräuchliche Begriffe. Der Brockhaus (Das Wikipedia der Deutschen vor Wikipedia) kennt aber erst seit 1936 Rauschmittel-Süchte. Der Begriff erfährt bald wieder eine Inflation für alle möglichen unerwünschten Verhaltensweisen. Der moderne Mensch kann – oder soll? – nach allem und jedem süchtig werden: Kaufen, Laufen, Arbeiten, Fernsehen etc. pp. Die Magersucht ist übrigens ein Kind der fetten 50er Jahre. Die Sucht ist also ein schwammiger Begriff, den heute Medizin und Sozialpolitik mit Eifer auswringen.
Übrigens können nur wir Deutschen krankhaft süchtig nach etwas werden. Unsere germanischen Sprachnachbarn begegnen Alkohol und Drogen aus eigenem Blickwinkel. Der höfliche Engländer drückt mit ‚addiction‘ eigentlich seine ‚Ergebenheit‘ aus. Für den Schweden blieb das alte Wort ’suht‘ als moderne ’sjukdom‘ stets die Krankheit, die Sucht ist ihm dagegen heute ein ‚begär‘. Der Niederländer nennt eine Sucht nüchtern treffend ‚verslaafdheid‘, Versklavung.
Dieser Artikel beruht auf Michael Masters Magisterarbeit „Ist Sucht eine Erfindung der Moderne?“ Hier auf WordPress veröffentlicht, mit detaillierten Quellenangaben und übrigens sehr angenehm zu lesen. Zusammengefasst wurde das 3. Kapitel „Etymologie und Entwicklung des Wortes Sucht“, beginnend hier.
AW, mit freundlicher Genehmigung des Autors
Das Chillum ist der hinduistische Maßkrug
Das Chillum ist ein Rauchgerät, das ich überhaupt nicht verstehe. Sicher, es ist unglaublich fotogenes Schmuckstück. Und auch sehr traditionell und mystisch. Allein schon die Rauchtechnik durch zwei hohle Hände. Wenn man dann noch Sadhu ist mit traditioneller Gewandung, das passt hervorragend. Allein, ich weiß nicht, was ich in dem Rohr verquarzen soll. Mit gewöhnlicher Tabak-Mische schmeckt es nicht besonders gut. Alleine sorgt es für Halsentzündung, zu mehreren reicht es nicht lange genug und einer muss sich schnell mit dem eklen Rest begnügen. Pures Gras fände ich für meinen Hals noch schlimmer. Könnte mir vorstellen, mit erntefeuchtem Gras und glühender Kohle ließe sich ein angenehmer Dampf erzeugen. Ich erforschte es nicht weiter. Denn ich war jung und dumm. Und wir hatten ja nichts! Kein Internet. Heute kann ich mich bei Youtoube schlau machen, Suchwort „Chillum“, erster Treffer: Tatsache, Sadhus rauchen Gras pur (einfach draufklicken, ist ein Link zu Youtube, keine Werbung für private Krankenversicherung). Aber sein Chillum ist auch viel kleiner und praktischer als meins. Ich bin also einer dekorativen Touristenfalle auf den Leim gegangen.
Aber ich tröste mich mit einem weiteren Internet-Video:
Als nächstes fand ich ein hinduistisches Oktoberfest für Kiffer. Wenn man den Anfang überspringt, wird es lustig. Rudelweise konservative religiöse mit Bart und Tracht entzünden feierlich ihre Graspfeifen und machen sich dabei wichtig wie ein Oberbürgermeister beim Faßanstich. Bum SHIVA! Alles wie auf der Wiesn. Nur Frauen und Alkohol sind da scheinbar illegal.
Die beste Lösung finde ich aber hier im WordPress-Reader auf taksi, diesem schönen Travel-Blog: Man muss im Chillum frischen Charras rauchen. Dann schmeckt es bestimmt super, da hätte ich auch selber drauf kommen können. Wenn ich also im Späti zufällig mal schwarzen Handgekneten finde und zu viel Geld bei mir habe, werde ich nicht mehr sparsam dünne Würste in Zigaretten zutzeln, sondern dem dicken Rohr eine verschwenderische Chance geben. AW

Die heilige Pfeife mit dem Relief vom freundlichen Ganesha. Das kleine braune Ding daneben, das aussieht, wie ein Räucherkegel aus dem Erzgebirge ist der Pfeifenstein, der den Brennraum des durchgängig gebohrten Rohres als Boden abschließt. Das Tuch diente mir zur rituellen Reinigung unmittelbar nach Gebrauch.
Badger Blandford Flyer – Beer with a ginger hook
Mal wieder ein Zufallsfund aus der Resterampe des Dealers. Auf dem Etikett lese ich Anglerlatein: Da fängt also ein Dachs, Geschäftsführer der Brauerei Hall&Woodhouse aus Blandford mit einem Ingwer-Fliegen-Köder besonders naive Möchtegern-Biertester. Ich erwarb ein aromatisiertes Ale. Süß, theoretisch süß genug, um Kinder zu Alkoholikern zu machen. Aber nur, wenn sie sich nicht vor Ingwerstäbchen ekeln. Das Etikett empfiehlt dazu stark gewürztes Essen, etwa Indisch. Mit indisch kann ich meinem Schatz nicht kommen, da droht die Scheidung. Zum Glück war jüngst Dorry hier und legte uns ein Rindfleisch-Curry mit frischem Kurkuma ans Herz, wie sie es hier auf Chefkoch postete. Ich hab die Chilis noch mal raufdosiert. Und das Stück Kurkuma war auch ziemlich groß. Aber ich fand, das Gericht gelang mir, etwas unausgewogen vielleicht, aber wirkunksstark. Blumig exotisch anregend, süß-sauer-tomatig, mit brutalster Schärfe im Abgang. Wie wenn ein anmutiger thailändischer Boxer mit einem trockenen Ellbogenstoß ein Gesicht zertrümmert und alle beteiligten lächeln dabei freundlich, weil es die Tradition gebietet. Will sagen: Alle Geschmacksknospen waren mit dem Rindfleisch voll ausgelastet. Aber jeder Schluck Badger schmeckte trotzdem unverändert mild süß und würzig nach Ingwer, auf kühler perliger Frische eines obergärigen Bieres. Paßt zu starken Gewürzen, dabei herb genug, daß man genießen kann und nicht versucht, den Chilibrand durch unvernünftiges Stürzen wegzuspülen. Aber mit seinen 5,2 % Alkohol dürfte man das problemlos auch mittelschnell trinken. Keine Frage, das Bier hält, was die Hersteller versprechen. Das Ingwerbier ist tatsächlich eine Empfehlung für feurig-exotische Abendessen. Die Leute in Blandfort nun können ohne Zweifel brauen. Bei zukünftigen Einkäufen werde ich den anderen Produkten des Dachses neugierige Beachtung schenken, das könnte sich lohnen. Ich aber trinke zu asiatischem Essen nicht gern Alkohol, nüchtern kann man einfach mehr Essen. Deshalb werde ich am Ingwer-Haken nicht nochmal anbeißen.
AW