Schon die Schule verpasste uns ja eine ordentliche Portion Standesdünkel. Als Gymnasiast war man selbstverständlich offen für pflanzliche Rauschmittel aller Art. Dafür hegten wir Vorurteile gegen chemische Drogen. Aus dieser Geisteshaltung ist erklärlich, dass ich versuchte, einen anregenden Kräutertee selber zu brauen. Die Zauberkraft sollten selbst gesammelte Psilocybinpilze (psilocybe semilanceata) bewirken. Die können einen ganz schön aus der Bahn werfen, wie ich beim Zauberpilzblogger ausführlich beschrieb. Also brauchte es ein Kraut, das beständig fröhlich und wach hält. Da bot sich Meerträubel, also Ephedra an. Das stand schließlich beim Tanzsportverband auf der Dopingliste, war aber vor 2006 noch mehr oder weniger frei erhältlich.
In einer kleinen Vorstadt-Apotheke verweigerte man mir das Kraut. Der alte Chef schaute ziemlich verdattert, als ich ihm frei heraus erzählte, ich wollte damit zum Freizeitvergnügen experimentieren. Er hatte wohl auf eine phantasievolle Lügengeschichte spekuliert. In der altehrwürdigen Apotheke am Bonner Marktplatz dagegen wurde ich anstandslos bedient. Eine desinteressierte junge Helferin nahm die Bestellung auf und am nächsten Tag erhielt ich eine rote Papiertüte mit einem Jahresvorrat Herba ephedra für fünf Euro.
Für den Ephedra-Tee ließ ich einen Esslöffel Kraut pro Tasse zehn Minuten sprudelnd kochen. Dann die Temperatur reduzieren und in nicht mehr kochendem Wasser 15 Pilze pro Person gute 15 bis 20 Minuten ziehen lassen. Die Brühe schmeckte nicht eben delikat, ein merkwürdig bitterer Belag blieb im Mund, etwa eine halbe Stunde, dann setzte die Wirkung ein. Die war wunschgemäß heiter und anregend. Eine körperliche und geistige Leichtigkeit erfüllte mich, ganz ähnlich wie wenn man nach dem Sport auf nüchternen Magen schnell ein Bier kippt. Während beim Bier dieser angenehme Zustand aber meist schnell überschritten wird, hielt mein Tee das Level konstant mehr als drei Stunden. Ab und zu glaubte ich, persönliche Nachrichten vom DJ zu empfangen, das störte aber nicht das Tanzvergnügen. Allein, die Mischung war noch nicht ganz perfekt: Nach den drei Stunden hörte die Pilzwirkung auf, während das Ephedra weiterhin seine wache, krautige und irgendwie langweilige Erregtheit verbreitete. Heute würde ich das Ephedra herunterdosieren und stattdessen mit aufhellenden Zusätzen wie Vitamin C oder Honig zur Geschmacksverbesserung experimentieren.
Das sagt Wikipedia zu Ephedra-Pflanzen und das zu Ephedrin.

Ephedra-Kraut gibt es seit 2006 in Deutschland nur auf Rezept. Die Pflanze enthält neben dem „freien“ Pseudoephedrin nämlich auch das verschreibungspflichtige Diastereomer Ephedrin. Besitzer einer Pharmafabrik können die Wirkstoffe trennen und Rezeptfreie Erkältungsmittel mit Pseudoephedrin verkaufen. Balkongärtner aber müssen sich hüten. Diese Meerträubelsamen verhielten sich bislang gesetzeskonform und verweigerten die Keimung auf deutschem Boden.