Diesen herrlichen Single Malt fand ich unter dem Weihnachtsbaum. Daß er „Extremely Rare“ ist, sei mir herzlich egal, viel wichtiger, er ist auch noch extremely lecker. Die Spirituose eignet sich vorzüglich als Einstieg für eine Karriere als Alkoholiker. Mehrere erfahrene Ärzte versicherten mir unabhängig voneinander, chronische Sauferei sei eigentlich nicht schädlich. Aber leider nur genau so lange, bis man sich keinen guten Stoff mehr leisten kann, erst mit dem Fusel kommt der Verfall. Wahrscheinlich deshalb hielten die betreffenden am wohldotierten Medizinerberuf fest. Der allerbeste Stoff aber ist nun nicht Whisky, sondern schon immer Wein und seine Konzentrate, vornehmlich französische Brände. Das erklärte mir Big T, als er mir mal beibrachte, wie man sich richtig betrinkt.
Big T, ein großer schwarzer Mann aus Nashville, Tennessee, ist von sich aus schon ein Riese und wenn man sein Selbstbewußtsein mitrechnet, etwa 2,95 Meter groß. Als wir uns kennenlernten, war er grade dabei, für sich und sein Schatzi ein Haus in Brandenburg zu suchen. Er fand es da schön und die Nachbarn konnten ihn nicht einschüchtern. Ich glaube er hat vor gar nichts Angst. Denn er wuchs mit zehn Geschwistern im amerikanischen Süden auf. Von seinem Vater erzählte er gar nichts und von seiner Mutter, daß sie theoretisch hätte wählen dürfen, wenn man sie einen Paß hätte beantragen lassen. Er hatte auch schöne Momente, zum Beispiel Barbecues für die Nachbarschaft im Garten von Johnny Cash. Er fand sogar eine ordentliche Arbeit, bei der Armee. Da fing er sich unter anderem eine Kugel, als er im Irak Software in Panzer installierte. Wahrscheinlich Windows, die deutsche Panzerhaubitze 2000 jedenfalls läuft mit Windows XP.
Schließlich verließ Big T aber die Armee und blieb in Berlin bei Schatzi. So verabredeten wir uns zum vorsätzlichen Betrinken. Big T erwartete mich vor dem KDW, gekleidet wie ein Bodyguard des Präsidenten, schwarzer Anzug, weißes Hemd und Sonnenbrille, nur ohne Sprechfunk im Ohr. Im Kaufhaus dann quatschten ihn hübsche, junge Mädchen an, vorgeblich weil sie ein passendes Geschenk für ihren Freund suchten, und nein, sie hielten ihn nicht für einen Angestellten. Big T wählte schließlich eine Flasche Remy Martin, der Cognac mit dem besten Preisleistungsverhältnis. Den köstlichen Nektar leerten wir gemütlich mit Pappbechern auf den Bänken eines Spielplatzes. Dabei erfuhr ich noch die Geschichte, wie amerikanische Soldaten ihre Dienstzeit in Panama traditionell mit Unmengen Marihuana absitzen. Dabei darf man sich nicht erwischen lassen, sonst wird man nie in Berlin stationiert. Da kamen nur Soldaten hin, die gut aussehen und sich benehmen können. Dann ging es in einen Club in Charlottenburg, wo die afroamerikanische Gemeinde Berlins feierte. Da war ich aber zu betrunken und die Gäste waren für mich zu alt und zu groß. Ich fuhr dann bei Sonnenaufgang mit dem Fahrrad nach Hause, merkwürdigerweise unfallfrei, obwohl mir von der Siegessäule bis zur Haustür die Erinnerung komplett fehlt. Ein schöner Abend, der eigentlich überhaupt gar nichts mit Whisky zu tun hat.
Aber Whisky avancierte dem Vernehmen nach nur deshalb zum Edelgetränk, weil irgendwann vor mehr als hundert Jahren die Reblausplage sämtliche französischen Weingärten vernichtete und den Cognachändlern der Nachschub ausging. Schottische Kornbrenner kauften die gebrauchten Weinfässer billig und bauten ihren Sprit darin aus. Guter Whisky also will eigentlich wie der sanfteste Cognac schmecken. Und das tut der 18jährige Glenmorangie. Vor allem wenn man die leichte Schärfe mit ein paar Tropfen Wasser löscht. So lässig aus dem Handgelenk ins Glas gespritzt, wie das der whiskyliebende Sozialarbeiter in dem pädagogisch äußerst wertvollen Whiskytrinkerlehrfilm Angels‘ Share vorführt. Sonst hab ich da allerdings nicht viel gelernt, denn ich weiß immer noch nichts eloquentes über Schnäpse zu sagen. Ich lande schließlich bei Cognac wenn ich über Whisky schreiben wollte. Und ich nehm gern leckere Brände um ihrer Wirkung willen zu mir. Der Glenmorangie bewirkt bei mir eine Art psychedelische Sattheit, als hätte ich mir ein komplettes Kornfeld einverleibt, mit einer Spur von Schlauchpilzen drin. Das bleibt in Erinnerung. Denn obwohl ich allein aus Geiz sehr selten davon trinke, wache ich in letzter Zeit regelmäßig mit der Geschmackserinnerung auf und habe das Bedürfnis, den Tag mit einem Tropfen Lebenswasser zu starten.

Der Stoff kommt in wertiger Verpackung, die in Größe und Fertigungsaufwand an einen Kindersarg erinnert. Marketingexperten und Produktdesigner hätten helle Freude daran, wäre ihr Gefühlsleben nicht schon längst berufsbedingt totgesoffen.
und habe das Bedürfnis, den Tag mit einem Tropfen Lebenswasser zu starten.
Da hilft dann wohl nur, ganz schnell Arzt zu werden. Oder so ein chronisch überbezahlter Politjob. Prost! Oder sláinte, in diesem Falle 😀
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Das Leben ist halt leider zu kurz, um billigen Schnaps zu trinken, aber zu lang, um den täglich zu bezahlen.
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Darauf keinen Dujardin 😀
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Brandenburg? Da ließ sich doch schon „Dieter“ Moor umtaufen. In Max Jauch oder so Oder es war McPom..
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In Brandenburg ist man mit einer großen Ehrlichkeit konfrontiert…
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Ich wünsche mir mehr Absätze in diesem Artikel. Das würde es meiner Blindensoftware leichter machen mir diesen vorzulesen und darin zu navigieren. 🙂 🙂
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Etwa so? Ich hoffe, die passen jetzt auch inhaltlich.
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Super, jetzt geht es besser. Sonst kann man nämlich beim Lesen keine Pausen machen, ohne dass der Text wieder von vorne vorgelesen wird. Bei kürzeren Texten kein Thema. Soviel Zeit muss sein. Bei längeren Texten nervt es nur. Mir ist aber auch klar, dass ein nicht Blinder das nicht wissen kann. 🙂 ich hoffe das ist für dich so in Ordnung. In meinem Blog schreibe ich genau über solche Dinge, die für uns blinde Anders sind oder auch eben nicht.
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So wußte ich das noch nicht. Wir kommunizieren bisher nur mit einer blinden Mutter aus der Kita per SMS, da bleibt es schön kurz. Aber auch sehend bemühe ich mich um Absätze zu Strukturierung. Bei vorliegendem Text jedoch bin ich recht fließend von Hölzchen auf Stöckchen gekommen, dass mir erst alle Unterbrechung willkürlich erschien. Aber er ist nunmal zu lang für einen einzelnen Block. Da hast du recht.
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Wenn ich an meinem PC sitze, habe ich auch ganz andere Möglichkeiten mich in längeren Texten zu bewegen. Aber hier am iPhone habe ich gerne zwischendurch einen Absatz drin.
Und ja, ich kenne das auch, wenn man so mitten im Schreibfluss ist 🙂
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Noch ne technische Frage: Brauchst Du echte Absätze oder reicht Dir auch ein weicher Return (Return+SHIFT)? Der macht einen Zeilenumbruch ohne Formatierungsbefehl. Oder so ähnlich, wenn ich das richtig verstanden habe.
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Das müsste auch funktionieren. 🙂
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Wow, bist du T.C. Boyle oder so? Das ganz Fantastische an deinem Blog finde ich ja, dass ich mich persönlich für Drogen jedwelcher Art gar nicht wirklich interessiere (du hast es schon gemerkt: die Krone ist für mich ein erlesenes alkoholfreies Weizen nach einer Sommerwanderung). Aber das macht überhaupt nichts, wenn man deine Texte liest. Das ist Kunst, oder? 🙂
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Was für ein Kompliment! Da weiß ich jetzt gar nicht, was ich sagen soll.Nur daß ich hoffe, daß es mir nicht zu Kopfe steigt und ich mich darauf ausruhe.
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Einfach weitermachen. 😉
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