Der Bauer Yassin, mein neuer Freund

EinzelbetreuungFacebook ist der moderne, globale Pausenhof. Wer grad nichts besseres zu tun hat, hängt da herum und produziert sich. Und wer eigentlich was besseres zu tun hätte, versucht, sich dahin davonzustehlen. Als digitaler Nichteingeborener mag man die Nase rümpfen über die ganze Oberflächlichkeit und Zeitverschwendung. Bis man selber hineingerät, in den Strudel aus Geschwätz und Gerücht und Blödelei. Der Pausenhof ist einfach das schönste vom Schultag. Und bei Facebook ist immer trockenes Wetter.

Wie auf jedem guten Pausenhof gibt es auch auf dem digitalen eine Raucherecke und, etwas abseits, hinter der Turnhalle, den Kiffertreff. Genauso offensichtlich wie die süßlichen Rauchschwaden sind die cannabisaffinen Namen der entsprechenden Gruppen. Da geht es dann recht heiter zu. Junge Menschen zeigen sich gegenseitig ihren neuesten Einkauf, posten stolz die frisch geputzte Bong und streiten über ihre liebsten Grassorten, wie einst in der Grundschule die Ranzenträger ihren Scout gegen Amigo verteidigt haben. Auch gärtnerische Geheimtipps stehen hoch im Kurs. Und natürlich viel bekiffte Witze und Geschwätz. Der seriöse Drogenblogger findet dort Zerstreuung, neue Leser gibt es da nicht so viele. Die Kiffer sind mehr mit Kiffen und Kommentieren beschäftigt und haben dann nicht mehr so viel Zeit zum Lesen.

Ab und zu melden sich auf dem internationalen Pausenhof auch Menschen aus klassischen Hanfanbauländern zu Wort und zu Bild. Deren Produkte sehen dann aus, wie eben richtige Feldfrüchte aussehen: unregelmäßiger Wuchs, sonnengebleicht oder durch korrekte Fermentation geschwärzt. Ältere Kiffer kennen so etwas noch, aber mit dem Siegeszug des Industriegemüses niederländischer Machart sind Naturprodukte in letzter Zeit bei uns völlig vom Markt verschwunden. Sehr viele stören sich ganz erheblich an den Samen in den Knollen, aber wo Hanf auf Feldern wächst, die Bauern noch selbst ihr Saatgut veredeln und das Pflanzenmaterial in Zentnern gerechnet wird, ist das normal. Hierzulande gelten befruchtete Blütenstände aber als Inbegriff für minderwertiges Kraut. Die deutsche Kifferjugend reagiert darauf oft einhellig mit Abscheu, Ablehnung und Hohn. Ein Foodblogger schrieb mal, der deutsche Konsument hat sein Gemüse gern billig, wässrig, aber äußerlich makellos wie aus dem Hochglanzkatalog. Ich ergänze dazu noch das angewiderte Gesicht, wenn das Stadtkind den wahren, nicht lilafarbenen Herkunftsort der Milch erfährt.

YassinEiner, der sich beständig gegen Ignoranz und Vorurteile stellt, ist der Hanfbauer Yassin. Er ist 41 Jahre alt und wohnt in Marokko, im Norden des Landes. Yassin kann recht gut Deutsch. Einige Familienmitglieder wohnen noch in Deutschland. Er selbst hat auch schon hier gelebt. Er hat keine Angst, Gesicht und Namen im Internet zu präsentieren. Die Fotos hier sind alle von ihm, wofür ich mich herzlich bedanke. Seine Familie hat ein paar Häuser in der Stadt an der Mittelmeerküste. In den Bergen bewirtschaftet er eine Hanfplantage, die hat er von seiner Mutter übernommen. Aus hundert Kilo Gras macht er ein Kilo Haschisch erster Qualität. Sein bestes Hasch ist von rötlicher Farbe und hat eine weiche Konsistenz. So etwas ähnliches durfte ich mal kosten, ein Spanienfahrer hatte das aus Tarifa mitgebracht. Ein schweres, betäubendes und hypnotisches Harz. Auch routinierte Kiffer rauchen das nur abends, wenn alles Tagewerk erledigt ist. Seine Joints dreht Yassin, wie viele Marokkaner, immer mit einem Zigarettenfilter. Viele deutsche Kiffer wundern sich darüber. Yassin lädt jeden, der ihn darauf anspricht, zu sich nach Hause ein. Man solle bei ihm wohnen und das beste Kraut der Welt rauchen. Ich glaube, das meint er ehrlich, die Gastfreundschaft der Maghrebiner ist legendär. Wenn ich mal in Marokko vorbeikomme, werde ich ihn besuchen und eine Reportage über seine Plantage machen.

Kifbauer - Kopie

Alle Fotos: Yassin T., Zeichnung: AW.

23 Gedanken zu “Der Bauer Yassin, mein neuer Freund

  1. Haaach, da wünschte ich mir, ich tät noch Kiffen wie damals. Aber derartiges Zeug würde mich derartig kreislaufmäßig stressen heutzutage.. 😀
    Sehr nettes Feld hat er da. Und von Mutter geerbt, das hat doch was 🙂

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    • Da mußte ich jetzt recherchieren. Aber mallorquinischer Kräutergeist klingt auch sehr lecker. Prost! Und kannst Dich damit ohne Neid beruhigen, daß Hanfrauchen für unsere Urgroßeltern eher die unkrautige Notlösung war, wenn das Geld nicht mehr für Tabak und Schnaps reichte.

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      • Formentera nennt sich der „Ort“, an dem ich mir die Kräuterlösung schmecken lasse.
        Es gibt dazu häufig genug angenehme musikalische Begleitung, wie gerade eben die zweite Nacht des Jazzfestivals 😉

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      • Nee, unseres ist unnormal schwach. Wie mit den Hollandtomaten. Ich hab mal sowas in Griechenland probiert. Die Pflanze ist total verkrüppelt innem Suppenteller voll Erde ohne Abflußlöcher gewachsen, 15 Zentimeter hoch und praktisch keine Blüten entwickelt. Aber die ganze Zeit unter knalle Mittelmeersonne. Da dachte man, da wär irgendwie LSD draufgetropft. Mit Farben sehen und Raum größer und kleiner werden.

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      • Oh ok insider wissen ist Gold wert. Danke für die Aufklärung hatte echt schon etwas bedenken xD

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      • Oh ja das stimmt schon da hast du recht. Aber es ist so stark ich habe noch nicht mal in Amsterdam so etwas bekommen xD

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      • Wo Dus erwähnst, das beste Laden-Hasch hab ich mal in Kopenhagen, Christiania, bekommen. Teurer, aber auch besser als Coffeeshops. Aber ich glaub, die Pusherstreet haben die inzwischen dicht gemacht.

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  2. Aber die ganze Zeit unter knalle Mittelmeersonne. Da dachte man, da wär irgendwie LSD draufgetropft. Mit Farben sehen und Raum größer und kleiner werden.

    Sonne ist wichdisch!
    Nur wenn das Kraut ordentlich Energie aufsaugt, kann es die einem auch ns Hirn drücken und die Hurra-Atome so richtig zum schwingen bringen.
    Da zeigt sich dann auch mal wieder, daß Aussehen voll überschätzt wird 😀

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  3. Sollte es mir jemals gelingen, meinen herzallerliebsten Stoner um den Finger zu wickeln, weiß ich jetzt auch, wo wir unsere Flitterwochen verbringen werden. Ich glaube, darüber würde er sich riesig freuen. 🙂

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