Schon vor Urzeiten ist ein verderblicher Drogenkult aus Babylonien und Ägypten zu uns nach Nordeuropa herübergeschwappt. Vergorener Gerstensud wird als sogenanntes Bier zu Rauschzwecken getrunken. Dabei ist die Droge wirkstoffarm und durch und durch minderwertig. Ursprünglich tranken die bittere Getreidebrühe nur solche Menschen, denen die Willenskraft fehlte, in einem Land mit gutem Wein geboren zu werden und die gleichzeitig charakterlich zu schwach waren, um sich mit richtigem Alkohol zu berauschen. Inzwischen hat Bier die gesamte Menschheit infiziert. Die Getränkeindustrie hat die Gesellschaft fest im Griff, Gesetze gegen das Rauschgift wird es nicht geben.
Wenigstens hat man sich darauf geeinigt, flächendeckend nur wässriges, aromafreies Bier unter die Leute zu bringen, um ihnen mit Langeweile auf lange Sicht den Geschmack daran zu verderben. Und tatsächlich ging der Bierkonsum allenthalben zurück. Das wird jedoch hinterhältig unterlaufen, weil sich, unbeachtet von der breiteren Öffentlichkeit, einige finstere Verschwörer zusammengetan haben, um die Menschheit mit wohlschmeckendem Selbstgebrautem wieder in den Bierwahnsinn zu treiben.
Die drogenpolitik konnte nun exklusiv ein paar Drogenköche beobachten, die völlig ungeniert in der Nachbarschaft Bier selber machen.
Es ist nämlich erschreckend einfach, Bier herzustellen
Grundstoff ist Getreide, mit Vorliebe spelzenreiche Gerste. Der Alkoholkoch will an den Zucker in der Pflanze. Dazu läßt er sie erst keimen und tötet die jungen Sämlinge sofort wieder. Brutal langsam mit trockener Wärme entzieht er den Körnern allen Lebenssaft. So entsteht das sogenannte Malz. Aus diesem wird dann Zucker herausgekocht. Eigentlich enthält Getreide nicht viel Zucker, sondern Stärke, das sind zu langen Ketten gebundene Zuckermoleküle. Nun besitzen die Keimlinge Verdauungsenzyme, welche die Stärkeketten zu kurzen Zuckermolekülen zerschneiden können. Diese, so fanden schon die Orientalen heraus, arbeiten bei 60 bis 70 Grad Celsius am gründlichsten. In heißem Wasser also wird die Pflanzenstärke zu Zucker.
Üblicherweise verwenden private Drogenköche dazu einfachste Mittel, wie Marmeladeneinkochtöpfe. Man kann sich vorstellen, wie lange es dann dauert, bis 25 Liter Wasser auf Temperatur sind. Dann sitzen die Leute also untätig vor ihrem Einkochtopf oder Schöpfen mit dem Wasserkocher die Pötte voll. Wenn es dann die perfekte Temperatur hat, kommt geschrotetes Malz in den Kessel. Je nach Rezept etwas 5 Kilo auf 25 Liter Wasser, mal mehr, mal weniger. Ganz akribische heizen nach einer halben Stunde noch mal nach, bei 70 Grad arbeiten andere Enzyme. Die gierigen Brauer prüfen schließlich mit Jod, ob sich noch Stärke im Sud befindet. Wenn kein Farbumschlag eintritt, müssen die ausgelaugten Getreidereste von dem Zuckerwasser getrennt werden.

Als Läuterbottich eignet sich ein Plastikeimer mit doppeltem Siebboden. Da setzt sich die ausgelaugte Gerste ab und dient als Filter, geläuterte Würze fließt langsam durch den Hahn in den Einkochtopf. Damit wenig Hitze verlorengeht, hat der Brauer beide mit isolierendem Material umwickelt. Wer es sich einfach machen willen, kann aber auch auf so eine Apparatur verzichten und sein Malz in einem Filtersack auskochen. Das Ergebnis schmeckte auch gut.
In Deutschland wurde mal ein Drogengesetz erlassen
Mit dem wollte man im 16 Jahrhundert den teuren Brotweizen schützen. Stattdessen durfte nur die minderwertige Gerste zum kommerziellen Drogenkochen herangezogen werden. Die harten, unverdaulichen Schalen – der Ernährungseuphemiker spricht gern von Ballaststoffen – nun machen, daß Gerstenmalzbrei schön verklumpt. auf ein Gefäß mit Siebboden geschüttet ergibt das Pflanzenmaterial einen ordentlichen Filter. Darüber gießt man den Getreidesud ab, die sogenannte Läuterung. Das erfordert Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Wenn es gut funktioniert, werden Schwebstoffe herausgefiltert, damit das Getränk hinterher verführerisch klar glitzert. Die Kunst ist, daß es langsam genug durchläuft, aber nicht verstopft. Am Ende wird noch mal warmes Wasser darübergegossen, um allen Zucker herauszuspülen. Den Treber kann das Vieh fressen. Die geklärte Zuckerlösung heißt jetzt Würze, wahrscheinlich nennen die Bierköche das so, um ihr Treiben zu tarnen.

Echte Hopfenblüten verwendet kaum noch jemand. Leicht dosierbar und platzsparend sind solche genormten Pellets aus gepresstem, bitterstoffreichem Pflanzenmaterial. Sozusagen das Hopfen-Haschisch.
Nun muss die Zuckerplörre, Pardon: Würze, aufkochen. Und zwar eine Stunde lang, zusammen mit Bitterkräutern. Theoretisch könnte man dazu nehmen, was Wald und Wiese hergibt. Es gilt jedoch das ungeschriebene Gesetz, sich hier auf die Hopfenpflanze zu verlassen.
Den Rest vom Bierkochen weiß ich nur vom Hörensagen, denn bis hierhin kann das gern mal vier Stunden dauern und ich hatte bisher noch keine Lust, mir das dann zu Ende anzusehen. Wenn’s also gekocht hat, ist es endlich Zeit für die alchemistische Alkoholumwandlung. Dazu kommen Hefen hinein, die heißen auch passenderweise Saccharomyces cerevisiae, also Bierhefe. Die Tatsache, daß der Liebe Gott diese Einzeller so getauft hat, halten die Bierkocher dann tatsächlich für einen Beweis der Rechtmäßigkeit ihres Tuns. Die Hefen mögen es aber nicht so heiß. Die kochend heiße Würze soll jetzt möglichst schnell wieder kalt werden.

Fertig vergorenes Jungbier kann jetzt in Flaschen abgefüllt werden, um zu reifen.
Früher machte man das in großen, offenen Bottichen
Hat die Flüssigkeit eine große Oberfläche, kann mehr Hitze schneller entfleuchen. Dazu gehörte dann ein Gebet und Vertrauen in die hauseigenen Pilzstämme, daß sich die Würze keine falschen Bakterien fängt und verdirbt. Das geht natürlich mit überhaupt keinen Hygieneverordnungen konform. Deshalb kühlt man heute möglichst schnell mit geeigneten Apparaten, etwa Gegenstromkühlern. Wer keinen hat, stellt es in verschlossener Gärflasche in einen kühlen Raum und hofft und wartet. Bei etwa 20 Grad können die obergärigen Hefen dann loslegen, möglichst in einem Keller, vor Temperaturschwankungen und mißgünstigen Blicken geschützt, blubbert es gut zwei Wochen lang vor sich hin. Was dann beim anschließende, mehrwöchigen Reifen in Flaschen passiert, will ich eigentlich gar nicht so genau wissen.

Wer es besonders ernst meint und es mit seinen MitbewohnerInnen vereinbaren kann, schafft sich Heimbraukessel an und baut sich einen Gegenstromkühler, hier ein Gartenschlauch über eine mehrere Meter lange Kupferrohrspirale gezogen. Foto: Berliner Schnauze Homebrewing
Denn die private Bierherstellung läuft allen Prinzipien von Vernunft und Aufklärung zuwider. Wir wollen schließlich eine moderne Gesellschaft sein, in der alles arbeitsteilig hergestellt wird. Niemand soll und will je die volle Kontrolle über die Alltagsdinge erlangen. Das Fundament unserer Zivilisation sind schließlich komplexe Herstellungsprozesse, die ein einzelner nicht zu überblicken hat.
Wo wird das noch hinführen? Wer heute sein eigenes Bier braut, wird morgen womöglich selbständig denken und übermorgen sein Mittagessen selber kochen!

Dieses appetitlich aussehende, komplett selbstgebastelte Bier schmeckte würzig und machte gute Laune.
Wir danken den eifrigen Aktivisten von Eumel Braeu Berlin im Himmelbeet und Berliner Schnauze Homebrewing, ohne die der Artikel nicht möglich gewesen wäre.