Schottland ist für den Besucher erstmal in erster Linie Scotch. Natürlich darf man Schottland, die Menschen und ihre Kultur nicht einfach auf den Alkohol reduzieren. Viele andere Drogen sind dort ebenfalls beliebt. Auch ist der Alkohol selten allein, sondern meist in Verbindung mit dem Essen zu sehen. Wobei natürlich Alkohol wichtiger ist, denn nicht zu jedem Schnaps ist immer auch eine Mahlzeit nötig, wohl aber zu jeder Mahlzeit mindestens ein Schnaps. Denn echtes schottisches Essen ist ohne Alkohol tunlichst zu vermeiden und eigentlich eine physiologische Unmöglichkeit. Über das Essen aber wird in unserem familienfreundlichen Reiseblog geschrieben, hier sei nur vom harten Stoff die Rede, dem Scotch als Malt Whisky in seiner veredelten Form.
Schottland ist immerhin das einzige Land dieser Erde, das nach einer Spirituose benannt wurde. Das nördliche Ende der großen britischen Insel bekam seinen Namen, als König David I im 12. Jahrhundert in einem Sumpf sturzbetrunken vom Pferd fiel. Der eitle König verklärte sein Mißgeschick sogleich als wunderbehafteten Zusammenstoß mit einem gottgesandten Hirsch. Der mißgünstige Hofstaat jedoch kolportierte die ungeschönte Wahrheit und im Volk hieß die Gegend, die bis dahin noch keinen eigenen Namen gehabt hatte, von nun an „Trostlose Einöde, wo der König sich unbeobachtet mit Scotch vollaufen lässt.“ Auch wenn das Gälische lange und umständliche Ortsnamen liebt, hatte sich bis zum Spätmittelalter die griffigere Bezeichnung „Scotchtrinkerland“ durchgesetzt.
Nach der Reformation kam es in Britannien bekanntlich zu blutigen und äußerst komplizierten Bürgerkriegen. Den Parteien war kein Anlaß zu billig, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Vor allem die Presbyterianer störten sich an der Bezeichnung „Scotchtrinkerland“, die alle Bewohner pauschal diffamiert. Die Religionskriege tobten munter weiter, erst nach der Hinrichtung Maria Stuarts konnte von kirchlichen Würdenträgern der Nachweis geführt werden, dass die Menschen in Schottland keinswegs nur Scotch, sondern bei vielen Gelegenheiten auch Gin und oft sogar nur Bier trinken. Unter König James, im Deutschen als Jakob I bekannt, dem Sohn der unglücklichen Maria, wurde der Landesname schließlich in allen offiziellen Urkunden rückwirkend zu „Scotland“ verkürzt.
Die Verehrung berauschender Substanzen jedenfalls gehört fest zum Nationalcharakter der Schotten, denen damit das Kunststück gelang, fanatisch-ernsthaften Protestantismus mit dem allerfröhlichsten Rauschbedürfnis zu vereinen. Es lohnt sich für den Besucher, sich mit der Religionsgeschichte und den Nationalheiligen auseinanderzusetzen.

Alle reformierten Kirchen Schottlands verehren Harry Potter als den Schutzheiligen jugendlicher Trunkenheitsfahrer. Schon in der Grundschule lernen Kinder die Standardausreden: Der Baum ist lebendig geworden und hat das Auto angegriffen! – Ron hat am Steuer gesessen, sie wissen schon, der Rothaarige! Die Firma Lego unterstützt das Bildungsziel mit pädagogischem Spielzeug.
Wie bei allen keltisch-spirituosenaffinen Völkern genießen auch in Schottland die Dichter und Schriftsteller einen besonderen Heiligenstatus. In den Pantheon aufgenommen und zu Schottin ehrenhalber ernannt wegen ihres Schaffens wurde die Engländerin J.K. Rowling. Mit dem Erfolg ihres Harry Potter verkörpert Rowling den Lebenstraum aller Briten, denn sie brachte es von der Sozialhilfeempfängerin zur vielfachen Millionärin allein durch Unsinnerzählen. Sie ist die Schutzheilige der größenwahnsinnigen Phantasten, führende Lügenbarone wie Elon Musk oder Donald Trump sollen morgens vor einem Portrait der Ausnahmeautorin meditieren, so stärken sie den Glauben an ihre eigenen Hirngespinste.
Rowling selbst brauchte indes nicht viel Phantasie, weil sie ihren Zauberlehrling in Edinburgh schrieb. Die Innenstadt ist beeindruckend und wirkt mit der Masse massiger, historischer Gebäude eher wie eine Filmkulisse, als ein Ort zum Leben. Die Bewohner Edinburghs wiederum sind tagsüber alle leicht verkatert. Viele wirken etwas fahrig, wie unwirkliche Schatten ihrer selbst, als ob ihre wahre Existenz in einer durch Zauberei entrückten Parallelwelt stattfände. Als Fremder fühlt man sich ausgeschlossen, da hilft auch kein Bier. Erst wenn man am Abend den ersten Tropfen Single Malt kostet, erschließt sich die Magie der verwinkelten Gassen und Treppen. Wenn man dann genug davon trinkt, kann man auch eine Kollision mit einer soliden Ziegelmauer als Entdeckung einer Geheimtür in bisher ungeahnte Dimensionen empfinden.
Um der Realitätsverschiebung die Schärfe zu nehmen, sei es gewöhnlichen Sterblichen dringend Empfohlen, schon Mittags oder früher mit zunächst kleinen Portionen Malt Whisky zu beginnen und nur im äußersten Notfall bei brennender Kehle mit Bier zu löschen. Das hilft auch bei der organischen Gewöhnung an den Linksverkehr, welcher vor allem für nüchterne, kontinentaleuropäische Fußgänger nicht ungefährlich ist.

Mitten in der Stadt vor dem Hauptbahnhof steht ein gewaltiges, kirchturmartiges Monument, das eine Statue des Dichterfürsten Irvine Welsh beherbergt. Dieser schuf mit dem polytoxen „Trainspotting“ das schottische Nationalepos. Die Helden symbolisieren die unterschiedlichen Aspekte des täglichen Kampfes des Schotten gegen die Nüchternheit. Invalide Soldaten, Seefahrer und Arbeiter der Ölborinseln in der Nordsee richten ihre Dankgebete an den Heiligen Welsh, wenn mit ihrem Rentenbescheid auch das Opiatrezept eingetroffen ist.
Der schottischen Seele am allertrefflichsten auf den Grund geht jedoch das weniger bekannte Heldenlied „Angels‘ Share„. Hier wird gesungen von der Läuterung und Wandlung des mittellosen Straßenschlägers Robbie, der durch einen Bewährungshelfer in die hohe Kunst des Whisky-Tastings eingewiesen wird und so Zugang zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen erhält. Robbie nutzt sein Talent und kann so in die Königsklasse der Diamantendiebe aufsteigen. Sein Gesellenstück ist der Diebstahl von ein paar Flaschen des teuersten Whiskys der Welt, schließlich erlangt er die Weihen des bürgerlichen Lebens mit einer Festanstellung in einer Destillerie. Robbie ist der Schutzheilige der Barkeeper und Kellnerinnen, die allesamt große Experten für hochwertige Spirituosen sind. Wer freundlich ist und den Lieblingswhisky des Hauses bestellt, wird jedes Mal positiv überrascht. Um sich die Namen der Getränke dann auch zu merken, braucht es allerdings schon etwas intensiveren Zauberunterricht.

Der Ball ist eiförmig und die Mannschaft hat 32 Zähne – Hooliganismus ist in allen Teilen Britanniens ein beliebter Zeitvertreib zwischen den Trinkgelagen. Erste Nachweise von gelebter Fankultur sind schon aus der Jungsteinzeit erhalten.
Um mal ne Lanze für Rugby zu brechen; ein Zitat was Oscar Wilde zugeschrieben wird: “ Rugby is a game for barbarians played by gentlemen. Football is a game for gentlemen played by barbarians.“
Das ist wohl eher dem geschuldet, daß Rugby Oberschicht war und Fußball für Arbeiter.
Trifft aber die Sache, im Fußball wird mit Absicht gefoult, Schwalben imitiert usw. . Der Täter wars natürlich nie, das Opfer legt noch ne Extrarolle auf dem Rasen hin.
Beim Rugby wird nicht mit Absicht gefoult, mensch rappelt sich auf, renkt sich die Nase ein, zieht das Blut hoch, nimmt die Bitte um Entschuldigung des Gegners an und spielt weiter…
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Am Sonntag kam auf RTL die Fortsetzung des schottischen Nationalepos. Ohne den ersten Teil und ein bißchen Ahnung, wo die Protagonisten sich so rumtreiben, braucht mensch des ned unbedingt zu gucken, wobei wieder paar lustige Geschichten dabeiwaren, wie mensch unbürokratisch Geld verdienen kann.
Weiß ned, ob mensch für die Bankkarten Wunsch-PINs anfordern kann; die Story wo Renton und Sick Boy irgendeine Faschofeier zu Ehren von 1690 (die PIN) besuchten, die Karten mal zeitweilig ungefragt von den Eigentümern borgten, aber als Neulinge zu sehr aufgefallen sind, mal kurz auf die Bühne mußten und ein Hochlied gegen die geschlagenen „Katholen“ seinerzeit sangen,war so das Beste… Renton ist einer, in Edinburgh ist der damit Minderheit.
Wenn ich das richtig verstanden habe, waren die Faschos Anhänger der Fraktion, die die Nachfahren von Braveheart ( https://de.wikipedia.org/wiki/Braveheart_%28Film%29 ) metzelten.
Was da um 1690 rum passierte ist alles auf den ersten Blick sehr verwirrend: https://de.wikipedia.org/wiki/Glorious_Revolution
Waren wohl alle dauerbesoffen.
Schotten wo ich kenn:
Das ist gälisch, fällt bei der Mugge aber eh ned weiter auf…
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Vielen Dank für den Filmtipp. Für ein Fortsetzung scheinen die sich aber echt Mühe gegeben zu haben.
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Ein Freund von mir hat mal beim Urlaub in Schottland zufällig mitgekriegt, wie ein amerikanischer Tourist einen Pub betritt und Jack Daniels mit Cola verlangt. Er kam, so wird es überliefert, mit dem Leben davon.
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Briten haben Umgangsformen, ja.
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Das mit der Statue ist ja geil 😀
Ich lese gerade „Grm“ von Sybille Berg. Da wird mal ein extrem unterhaltsames, wenn auch absolut depressives Bild der Briten gezeichnet. Bis Seite 100: Leseempfehlung für Interessierte.
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