Gleich zu Beginn dieses Artikels muß ich zu meiner Schande offenlegen, daß ich das besprochene Buch selbst gekauft und von eigenem Geld bezahlt habe. Obwohl viele Arbeiten des tasmanischen Comiczeichners Simon Hanselmann frei im Internet zugänglich sind. Zufällig bin ich in einem Comicbuchladen mit klischeehaft brummigem Besitzer gestrandet. Da merkte ich schon beim durchblättern, daß ich zwar die meisten Geschichten kannte, aber eben nicht alle. Belohnt wurde ich mit 176 Seiten Comiclesevergnügen auf dickem Kartonpapier in angenehmen Pastelltönen. Das Geld gönne ich Hanselmann durchaus. Ich halte ihn für einen großartigen Künstler, schon seine Lehrer glaubten an ihn, wie diese Zeugnisse aus der Schulzeit beweisen. Der Zeichenstil ist minimalistisch, aber die Charaktere sind Extrem plastisch, durch langjährige Aktivität haben sie alle eine Biografie, umfangreicher als die Schulakte eines Problemkindes. Wahrscheinlich beruhen sie sogar auf echten Menschen. Und zwar einem Haufen beklemmend gemeiner und verkommener Subjekte. Sie sind nicht etwa bösartig, sondern, viel schlimmer, völlig abgestumpft und gleichgültig. Sie amüsieren sich, wenn sie sich gegenseitig in ihren Sumpf herunterziehen und festhalten können.

Grade bei einfacher Sprache und guten Englischkenntnissen muß man eine Deutsche Übersetzung kritisch betrachten. Aber einen ‚Fuckstick‘ als ‚Vollpfosten‘ zu bezeichnen, ist eine gelungene Übertragung dieser lauschigen Lagerfeuerszene.
Die Geschichten drehen sich um eine kleine Hausgemeinschaft und ihren Freundeskreis. Meistens spielen sie im verwahrlosten Wohnzimmer, vor immer gleicher Kulisse von Bong, Eimer und Pizzakartons. Mein Australienkorrespondent, der bisher wegen ausgiebiger Recherche noch keine Artikel abliefern konnte, bestätigte mir die Authentizität der Wohnsituation. In Sidney teilen sich viele junge Leute ein eingeschossiges Haus zur Miete, die Häuser haben, wie im Comic, alle ein kleines Stück Rasen, umgeben von braunem Lattenzaun. Sozusagen englische Arbeiterreihenhäuschen in der Billigvariante aus Presspanholz.
Die Hexe Megg ist die Femme Fatale im Zentrum. Sie wohnt zusammen mit ihrem festen Freund, dem Kater Mogg und dem nicht ganz so heimlichen, aber chancenlosen Verehrer Eule. Ständiger Gast ist Werwolf Jones, Meggs heroinaffiner Exfreund aus Schulzeiten und Drogendealer. Die Konstellation könnte hochexplosiv sein, würden die Beteiligten ihre Emotionen nicht konsequent im Rausch ersticken. Megg versucht die Nebenwirkungen ihrer vielen Psychopharmaka mit Gras und Alkohol zu kontrollieren. Ihr Freund Mogg macht jeden Unsinn mit, bleibt aber etwas undurchsichtig. Als Kater zeigt er sich arttypisch klug, faul und opportunistisch. Gelegentlich stiftet er seine Freunde zu grausamen und demütigenden Streichen an, wenn denen selbst keine mehr einfallen. Die gehen natürlich ausschließlich zulasten von Eule, der fast wie im Stockholmsyndrom in der freiwilligen Gefangenschaft der Hausgemeinschaft ausharrt. Denn er leidet unter Einsamkeit und sehnt sich nach Anerkennung. Sein latentes Alkoholproblem hat er durch Dauerkiffen ganz gut im Griff. Er wird völlig zurecht gemobbt, denn er will sich partout nicht an die harmonische Gemeinschaft der Sozialhilfeempfänger anpassen. Er hat einen Job und will sogar weiterkommen. Auch macht er sich verhaßt, weil er oft vorsätzlich versucht, nachts zu schlafen und tagsüber sinnvolle Dinge zu tun.

Megg ist nie um Antworten verlegen.
Wie alle Kifferbuden ist auch diese Truppe aus Down Under ein Paradies für alle, die dort Urlaub von ihrem richtigen Zuhause machen können und die Hölle auf Erden für diejenigen, die dort leben müssen. Wer sich für Megg und ihre verwahrlosten Haustiere interessiert, sollte sich auf Hanselmanns Tumblr Girl Mountain ausgiebig einlesen. Die älteren Beiträge aus dem Archiv enthalten nicht nur Fotos von Hanselmann in Frauenkleidern, sondern auch recht lange Comicgeschichten. Wem das gefällt, der sollte die 25 Euro, die ein Buch kostet, sinnvoll in Gras oder eine Flasche Schnaps investieren und weiter im Internet Recherchieren.