Fette Ente an Moonshine Whiskey – Buchbesprechung „Fup“ von Jim Dodge

Neulich kam Fup in unsere Redaktionsräume. Fup ist eine Ente und Hauptperson in dem gleichnamigen Buch von Jim Dodge. Fup ist ein heiteres Märchen, das wir mit Vergnügen in zwei oder drei Tagen genossen haben. Fup ist keine große Literatur, es ist ja auch nur ein ganz kleines Buch mit wenig mehr als 100 Seiten, die auch noch von etlichen Zeichnungen, zur besseren Veranschaulichung der Handlung, aufgelockert sind. Aber in ihrer Kleinheit ist Fup eine Perle. In der englischsprachigen Welt ist die 1983 erschienene Geschichte wohl schon eine Art Klassiker. Für deutsche Leser gilt als Qualitätsbeweis, dass Fup von Harry Rowohlt eigenhändig übersetzt wurde. Wir kennen weder Herrn Rowohlt noch Herrn Dodge persönlich. Uns hat einfach die Geschichte gefallen.

Sie ist rau, stellenweise zu häßlich, um sie Kindern vorzulesen, ohne sich als Erwachsener für das Erwachsensein schämen zu müssen. Für Erwachsene wiederum ist Fup oft zu profan.

Die Ente Fup Duck lebt mit dem alten Grandpa Jake und seinem Enkel Tiny zusammen auf einer Farm irgendwo im nördlichen Kalifornien ein relativ einsames und beschauliches Leben. Eigentlich sind sie alle ziemlich Fup duck. Tiny ist verwaist, seine Mutter starb bei einem tragischen Unfall am Ententeich, Tiny wurde als Kleinkind Zeuge des Unglücks. Er wird seit dem von Großvater Jake aufgezogen. Der wiederum scheint für die Kinderaufzucht erstmal nicht besonders gut geeignet zu sein. Er ist bärbeißig, schlecht beleumundet und in unanständig hohem Greisenalter. Der rüstige Mittachtziger verdient sein Geld mit Selbstgebranntem und privaten Pokerrunden, als Hobby sucht er gern Streit.

Wenn die Rolle der fehlenden Mutter ersatzweise von einer Ente ausgefüllt wird, darf der Großvater eben auch eine Schnapsdestille im Schuppen verstecken. Der alte Jake ist angekommen. Er hat immerhin das ultimative Schnapsrezept und mit der Herstellung des perfekten Lebenswassers Aufgabe, Bestimmung, Sinn und Ziel. Frauen haben da keinen Platz mehr, Jakes Geist ist mit Glücksspiel und Schwarzbrennen in Beschlag genommen.

Das Waisenkind gerät dann natürlich etwas merkwürdig. Die Umgebung ist nicht wirklich gesund für ein Kind und der Enkel wächst selbstverständlich zu einem äußerst kauzigen Berg von einem zwei Meter großen Kindmann heran. Seine Tage auf der Farm füllt er aus, in dem er mit äußerstem Ehrgeiz Barrikaden gegen die Aussenwelt errichtet. Aber zumindest hat der Junge einen herzensguten Charakter.

Viel mehr passiert nicht

Trotzdem gibt es genügend Merkwürdigkeiten zu erzählen.

Natürlich saufen sie alle drei permanent ihren Fusel, sonst wäre ihre Existenz ja auch kaum auszuhalten. Grandpa Jake verdrückt täglich mindestens einen halben Liter, er beginnt damit schon nachmittags, unmittelbar nach dem Aufstehen. Er trinkt, um seine Träume in Fahrt zu bringen. Er träumt gern und schläft stets bis Mittags. Tiny trinkt immer nur einen Schluck vor dem Schlafengehen, um die Träume fernzuhalten. Tiny träumt nicht so gern und steht gern früh auf. Die Ente ist in ihrem Konsummuster irgendwo zwischen Grandpa und Tiny einzuordnen. Sie neigt aber eher Richtung Grandpa. Die Ente scheint also ebenfalls eine Träumerin zu sein, obwohl sie, wegen ihrer Verfressenheit, auch früh aufsteht. Sorgen um irgendwas brauchen sie sich nicht zu machen, denn der Schnaps macht sie unsterblich. Ente und Großvater haben Glück und Sinn gefunden. Tiny jagd seinem noch hinterher, er wird es aber finden.

Hier wird also das Märchen vom herzensguten Haderlump erzählt, der versoffene Spieler, der gleichzeitig der richtige Ziehvater für ein bedürftiges Waisenkind ist. Es scheint ein beliebtes Märchenmotiv aus dem amerikanischen Legendenschatz zu sein. Die kalifornische Landschaft bietet dafür ja auch die passende Kulisse, eine Märchenwelt, in der ein Spieler mit Chuzpe sich eine Farm als Lebensgrundlage gewinnen und unterhalten kann. Das Motiv ist uns übrigens leidlich bekannt aus Film und Fernsehen, in vertrackten Situationen gestrandete Menschen, die irgendwie miteinander ihr Glück finden. Die zweieinhalb Männer des Charly Sheen fallen da spontan ein – einem Ashton Kutcher nimmt man den Trunkenbold nicht ab. Sehr anrührend dagegen hat in jüngerer Zeit Bill Murray als heiliger Vincent das Thema sogar auf die Kinoleinwand gebracht.

Der wirklich wahre Experte für verlorene Seelen am Pazifikstrand ist natürlich der große Steinbeck. Steinbeck nun ist gewaltig, echt episch, deshalb auch anstrengend und oft sehr traurig. Die Kinder werden zu früh erwachsen und vor allem Steinbecks Frauenbild ist noch sehr konservativ. Da wüten östlich von Eden männerfressende, scheinbar direkt der Hölle entsprungene Prostituierte. Arme, alte Mütter wiederum versterben auf kräftezehrender Wirtschaftsflucht und müssen ohne Grabstein verscharrt werden in fremder Erde, aus welcher dann zwangsläufig nur Früchte des Zorns wachsen können. Steinbecks Frauen kosten Nerven.

Das tut Fup in keiner Weise. Eine fette, zickige und autoritäre Ente ist nun mal viel beschaulicher und harmloser. Als einzige weibliche Hauptrolle in dem kleinen Märchen funktionert sie. Völlig anders als erwartet, aber erstaunlich gut funktioniert sie. Wer eine Rezension lesen will, die aus den wichtigsten Textstellen besteht, kann sich hier beim Deutschlandfunk davon überzeugen.

Jim Dodge hat mit Fup eine ehrliche Komödie über eine tieftraurige Situation geschrieben. Denn wenn eine Katastrophe erst einmal Alltag geworden ist, kann man darüber lachen. Und an seinem persönlichen Rezept für das Glück feilen. Eine Farm im Nirgendwo und eine Destille sind ein guter Anfang. Viel mehr braucht man auf der Welt nicht zum Glücklichsein.

Enten kämpfen

Hängenbleiben auf LSD

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Im folgenden ein stark gekürzter Auszug aus:
LSD-Trip in die Ewigkeit – Gedanken eines Hängengebliebenen von Crys Talix.
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(das sind keine Affiliate-Links, die drogenpolitik verdient nichts an Euren Käufen und es ist uns egal, ob Ihr über unsere Links kauft oder selber danach googelt)

Damals legte ich in meinem Kopf den Grundstein für ein Leben am Rande des Wahnsinns

Man kann wohl nicht einfach in der Jugend unendlich viele psychedelische Reisen unternehmen und später dann ein normales Leben führen. Das funktioniert gut, wenn man in Maßen konsumiert und achtsam mit sich ist. Dieses ganze Leben ging erstaunlich lange gut. Aber klar, ich war jung und da kann man schon einiges aushalten. Nach so vielen Monaten des Exzesses kommt aber irgendwie auch die Erkenntnis, dass man genug davon hat, dass die Nerven überbelastet sind. Ich hatte unzählige Male Pilze, Ecstasy und LSD genommen, die Nächte durchgemacht, ständig dazu gekifft. Und ich war immer eine treibende Kraft, habe die anderen Freunde dazu animiert, auch was zu nehmen und auf das Normalsein zu pfeifen. Ich habe beeindruckende Sachen erlebt und mich in komplett anderen Sphären aufgehalten. Ich habe immer weiter versucht, mich in das Universum hineinzudenken und mir auf Pilzen stundenlang den Kopf zerbrochen, wie das Leben denn nun funktioniert. Ich habe täglich mehr als 25 Köpfe (Portionen) Haschisch geraucht und dazu noch Zigaretten und habe kaum noch gegessen – und wenn, dann nur ungesundes Zeug. Ich habe nachts aus dem Fenster gewinkt, da ich vermutete, dort sei die Polizei und beobachtet mich. Oft war ich auf Partys, die mehrere Tage gingen, und während man feierte, wurde es plötzlich dunkel. Das bemerkte man zwar, jedoch war einem gar nicht klar, welcher Tag nun war, wie lange man schon auf der Party war oder das wie vielte Mal es jetzt dunkel wurde. Es wurde dunkel, das war klar, aber man konnte es nicht zuordnen. Und irgendwann wurde es wieder hell – das war sinnbildlich dafür, wie sehr ich aus dem normalen Rhythmus des Lebens ausgestiegen war. Ich hatte den Kompass verloren, die Richtung war nicht mehr klar. So wie ich auf den Partys nicht kapierte, warum es jetzt dunkel wurde und welcher Tag nun gerade anbricht oder endet, so konnte ich in meinem Kopf nicht mehr deuten, was ich eigentlich fühlte. Von außen kamen die besorgten Mitmenschen, aus meinem Blut kamen die künstlichen Glücksgefühle in mein Gehirn und mein Denken hatte ich über die Jahre so stark in eine psychedelische Richtung gelenkt, dass der Crash kommen musste. Und er kam – mit voller Wucht.
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Therapie?

Ein Schock für mich, aber es war der einzige Weg, mein psychedelisches Leben wieder in die Gesellschaft einzufügen. Am nächsten Morgen, bereits um 9 Uhr begab ich mich in die Sprechstunde zu meinem Hausarzt: „Sie schaffen dass, ich bin mir da ganz sicher bei Ihnen!“, sagte er. Der Arzt leitete die nötigen Schritte ein, um für mich einen Therapieplatz zu bekommen.
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Ich fiel in eine Art LSD-Halbschlaf und merkte, wie sich der Trip fest in meine Denkweise einbrannte. Ich hatte keine Schmerzen oder dergleichen, aber ich spürte, dass etwas nicht normal ablief, wie ich es in den unzähligen anderen Trips erlebt hatte. Alle meine Freundschaften, meine gehobene Position, all das sollte ich hinter mir lassen und einen Neustart machen. Ich war ehrlich gesagt überfordert mit der Situation. Und dann war da aber noch das Glücksgefühl, das zwar durch das Kiffen unterdrückt wurde, aber ich spürte, dass irgendwas in meinem Gehirn vor sich ging, etwas Mächtiges wollte nach oben. Dass es der Trip war, der mit aller Kraft und voller Wucht dauerhaftmein zukünftiges Leben bestimmen würde, konnte ich damals nicht ahnen.
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Ich fühlte mich zu gut, viel zu gut

Langsam verlor ich den Bezug zur Realität. Ich war mir sicher, dass alle Ärzte und Leiter der Klinik auf Kokain waren. In diesen Tagen war ein Fest direkt vor der Klinik und eine Band spielte den Song „Cocaine“ von Eric Clapton . Mir wurde klar, dass wir hier in Frankfurt waren und dies ein Drogenzentrum war. Ich dachte, dass die ganze Situation in der Klinik und überhaupt auf der Welt für mich gemacht wäre. Alle Leute, die ich dort traf, waren nur wegen mir hier. Viele, verschiedene Leute, die alle nur  hier waren, um mich auszubilden zu einem Superheiler. Ich war mir sicher, dass ich bald von der Klinikleitung aufgenommen würde, um als Psychologe in der Klinik zu arbeiten. Ich würde dann natürlich eingeweiht werden in den Kreis der Klinikleitung und dürfte auch täglich auf Kokain arbeiten, wie alle anderen Therapeuten. Eine Mitpatientin hielt ich für meine zukünftige Ehefrau. Ich lief voller Euphorie durch die Klinik, habe durch lange Gespräche mit anderen Patienten immer gedacht, ich könnte andere Leute heilen.
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Ich kann aus heutiger Sicht diese psychosenahen Gedanken noch nachfühlen, es ist aber fast unmöglich, sie einem normal denkenden Menschen zu vermitteln. Ich bin mir aber immer noch sicher, dass ich in diesen Momenten einen kleinen Einblick in göttliche Sphären bekommen habe.
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Ich hatte einige Besprechungen mit verschiedenen Ärzten und wurde ständig ermutigt, meinen Drogenkonsum zuzugeben, dabei hatte ich nichts genommen. Mir wurde später klar, dass der letzte Trip, den ich genommen hatte, hier wieder mit voller Wucht zurück in mein Bewusstsein kam. Ich hatte ja bereits sofort am Tag nach dem Trip dieses Glücksgefühl, das immer stärker wurde. Heute weiß ich, dass ich auf diesem Trip hängengeblieben bin, der mein Abschied aus dem Drogenleben hätte sein sollen. Es waren zu diesem Zeitpunkt etwa fünf Wochen vergangen, seit ich den Trip genommen hatte.
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„Die Interaktion zum jungen, stets freundlichen, jedoch eher passiv und meist wenig emotional berührt erscheinenden Patienten war insbesondere geprägt durch das Auftreten unerwarteter und bizarrer Geschehnisse im Behandlungsverlauf, die bis zuletzt auch für uns nicht klar einzuordnen waren.“ „Innerhalb von zwei Wochen schien sein Stimmungszustand nicht mehr nur subeuphorisch, sondern ins präpsychotische gehend. Innere Anspannung sowie einer Art Wahnstimmung mit Ich-Störungen (dass etwas vorgehe um ihn; er sich verändert fühle), bizarre Denkinhalte und ansatzweise Größenideen (dass sich nun alles füge, er Klarheit über alles habe, auch wisse, was in anderen Mitpatienten vorgehe, und er das gelungene Experiment seiner Eltern darstelle).Daraufhin erfolgte ein erstes psychiatrisches Konsilium beim Leitenden Arzt und eine Medikation wurde verabreicht. Nachdem es bereits am Folgetag zu einer deutlichen Stabilisierung und Distanzierung des Patienten vom psychotischen Erleben gekommen war, entstand unsererseits der Verdacht auf Substanzkonsum, obwohl sämtliche Screenings negativ waren.“ „Nach dem vom Patienten gewünschten Absetzen der bislang verabreichten Medikation kam es zur Stimmungsverschlechterung, wobei er panikartige Zustände beschrieb, insbesondere die Befürchtung‚ psychotisch‘ zu werden. Er schilderte ständig neue Befürchtungen: auf Drogen hängengeblieben zu sein; einen Hirnschaden zu haben; seine Hirnstrukturen durch LSD verätzt zu haben. Damit einhergehend beklagte er weitere Antriebs- und Hoffnungslosigkeit bis hin zu Suizidgedanken, da eh alles zu spät sei; er nicht mehr lebensfähig sei. Interpersoneller Kontakt und Realitätsbezug waren jedoch stets gut herstellbar und er zeigte sich absprachefähig.“
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Von einer psychedelischen Lebensweise oder Einblicken in das Leben, die man durch Halluzinogene bekommen kann, wusste in der Klinik natürlich niemand etwas. Keiner konnte nachvollziehen, welche tiefen spirituellen Einblicke ich in das Leben und seine Vorgänge bekommen habe. Die Ärzte konnten nichts von dem nachempfinden. Sie nannten das „narzisstisch gefärbte inhaltliche Denkstörungen“, ich nannte es „tiefe Einblicke in das Universum“. Wer hatte Recht?
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Ich war nun 21 Jahre alt, lebte vorübergehend bei meiner Mutter und versuchte irgendwie klarzukommen

Ich schaute viel fern, ging spazieren, wirklich depressiv war ich nicht mehr. Der Trip war noch da, aber er beruhigte sich, ich beruhigte mich auch. Ich habe dann aber ein ganzes Jahr abwarten müssen, bis ich mich wieder einigermaßen normal fühlte.
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Meine Mutter machte Druck, mir eine Arbeitsstelle zu suchen. Ich schrieb einige Bewerbungen und fand einen Job direkt vor meiner Haustür. In diesem Dorf kannte jeder jeden und so wurde ich in einer kleinen Metallfabrik als Hilfsarbeiter eingestellt. 4,5 Stunden arbeitete ich jeden Morgen, obwohl ich immer noch total auf dem LSD-Trip war. Ich hatte Probleme, den Erklärungen meines Meisters zu folgen, musste Dinge oft zweimal nachfragen und es fiel mir auch nicht leicht, mit den anderen Arbeitern der Fabrik Kontakt aufzunehmen.
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Ein Meister, der schon älter war und mit seinem Bruder die Firma leitete, kam zu Beginn zu meinem Arbeitsplatz und fragte, was ich so genommen hätte. Ich meinte, dass ich viel gekifft und ab und zu Ecstasy und Kokain und Ähnliches genommen habe. Er schaute mich entgeistert an und meinte: „Häsch du gschprizet?“ (Hast dugespritzt?), und machte eine Bewegung mit der Hand, als ob er sich eine Spritze in den Arm stechen würde. Ich sagte:„Nein, nein, das nicht.“, und er rief: „Ah okay, häsch nu kifft oder?“. Ich sagte: „Ja“.
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Auf Verlangen meiner Mutter besuchte ich eine Ärztin, die meinte, sie würde mir ansehen und anmerken, noch psychotisch zu sein, und das Zyprexa auf 20 mg erhöhte. Nach einigen Wochen sagte sie mir, sie wolle mich auf ein neues Medikament einstellen, das aktivierend wirken und trotzdem meine psychotischen Anteile unter Kontrolle halten würde: Abilify.
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„Mit diesem Medikament kann ich mein Leben wieder in den Griff bekommen.“

dachte ich. Nach genau zweieinhalb Wochen war ich abends in einem Biergarten mit einer Freundin verabredet. Ich saß in meinem Zimmer am Computer, als plötzlich in meinem Kopf ein Schalter umgelegt wurde, der den ganzen Trip und alle Ängste, Verzweiflung, Paranoia von der einen auf die andere Sekunde explodieren ließ! Ich lief durch das Haus meiner Mutter und konnte nicht fassen, wie drauf ich plötzlich war. Ich nahm eine Beruhigungspille, die jedoch nichts half.
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Nach vier endlos erscheinenden Monaten des Wartens wurde ich 2009 in eine Klinik in der Nähe von Karlsruhe aufgenommen. Ich verbrachte wieder vier Monate in der Klinik, wo es mir von Tag zu Tag besser ging. Was nun aber anstand, war eine genaue Diagnose meiner Erkrankung. Die Oberärztin war sich sicher, dass ich an einer Schizophrenie litt. Die Psychologin sah dafür keine Anzeichen. Allgemein wurde mir gesagt, dass ich wie ein ganz normaler junger Mann wirke, aber ich natürlich schon große Probleme hätte. Ab dem Moment, als ich von dem Höhenflug runtergekommen war, waren mein Intellekt und mein Wesen bzw. ein bestimmter Teil von mir von allem unberührt, ich wirkte immer noch wie ein ganz normaler junger Mann. Auf den ersten Blick.
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Ich bekam die Diagnose „undifferenzierte Schizophrenie“ und „soziale Phobie“. Diesen zweiten Klinikbericht habe ich am Ende des Buchs komplett veröffentlicht. Die Ärzte schreiben in diesem Bericht nur wenig über LSD oder das Hängenbleiben, da sie sich damit nicht auskennen und alles nur durch ihnen bekannte Störungen und Symptome erklären wollen und die Diagnose ja auch anhand ihrer Bücher stellen müssen.
Ich litt in dieser Zeit noch unter starken Reizüberflutungszuständen und es ging wirklich nur sehr langsam aufwärts, aber ich hab mich Schritt für Schritt wieder ins Leben zurückgekämpft. Ich habe in monatelanger Abdosierug fast alle Medikamente abgesetzt und dadurch ging es mir auch besser. Was ich ganz wichtig finde: Wer eine Konsumzeit hinter sich hat und eventuell mit leichten oder auch schwereren Folgen zu kämpfen hat, der darf niemals den Fehler machen und die Konsumzeit verfluchen oder das Feiern als Fehler seines Lebens bezeichnen. Denn dadurch lehnt man etwas ab, was Teil des eigenen Daseins geworden ist und kommt so in einen Konflikt mit sich selbst. Der Trip ist zu meinem Freund geworden, ich habe mich mit ihm versöhnt, habe mich mit ihm verbündet. Was anderes blieb mir gar nicht übrig. Es hat aber Jahre gedauert, bis ich das erkannt habe.

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Alle Bilder in diesem Artikel sind Fotografien der Werke von Tobias Keller, Acryl auf Leinwand. Die Originale sind vom Künstler zu erwerben, Kontakt über seine Facebookseite. Tobias Keller hat sonst nichts mit der Geschichte von Crys Talix zu tun, die Zusammenstellung der Bilder erfolgte durch die Redaktion von meinedrogenpolitik.

Anmerkungen der Redaktion: Mehr als nur ein paar Wochen liegt dieser Text in meiner elektrischen Schublade. Ich habe ihn nach dem ersten Lesen lange nicht mehr angesehen, aber immer wieder darüber nachgedacht.
Die Form ist ungewöhnlich, der Autor nennt es Buch, ich würde es jetzt nicht als Buch bezeichnen. Das meine ich aber auf keinen Fall abwertend, es liegt nicht an der Qualität des Textes. Der liest sich sehr flüssig und interessant, da gibt es nichts Auszusetzen. Ich empfinde es irgendwie als Rohtext, ein Art Ereignisprotokoll, die selbstgeschriebene Krankengeschichte eines jungen Mannes, der sich einen ordentlichen psychischen Schaden zugezogen hat durch zwei Jahre intensiven Gebrauch psychedelischer Drogen. Wie diese Krankheit genau heißt, ist unklar. Crys Talix hat keine übereinstimmende Diagnose bekommen. Er selbst kann das Problem ziemlich genau definieren, er hat einfach zehn Jahre auf seinem letzten LSD-Trip verbracht. Crys Talix ist also hängengeblieben, wie man zu sagen pflegt. Dies Unklarheit, das Nichtpassen in die gängigen Diagnoseschemen, ist eines der Themen des Textes.
Es klingt wie eine Leidensgeschichte, das ist sie auch, aber die Faszination schwingt mit. Crys Talix ist immer noch „drauf“ bereut nicht, genießt nicht, sondern lebt damit. Der ungefilterte Gedankenfluss ist ihm Selbstverständlich, er musste lernen, diesen Zustand zu akzeptieren, wie wir das Wetter hinnehmen, manchmal freudig, manchmal frustriert.

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Das Buch

Ein richtig echter erster Preis, erlangt durchs Bloggen. Und dabei noch was gelernt. Eine Anthologie ist nämlich ein Sammelband mit kurzen Beiträgen verschiedener Autoren, wörtlich eine Blumensammlung. Schönes Wort, und so gebildet.

Die Drogenpolitik hat gewonnen. Keinen virtuellen Award sondern einen richtig echten Preis zum Anfassen. Nämlich ein Buch. Anlaß genug für einen Artikel, der nichts mit Drogen zu tun hat, sondern nur mit erfreutem Dank und deshalb möglichst vielen Links zu TEAMOs Seite. Gewonnen habe ich nicht für Leistung, sondern einfach per zufälligem Losentscheid. Und das, wo ich sonst nie was gewinne. Weil ich nämlich nicht an Preisausschreiben teilnehme. Aber nichtsahnend stöberte ich in Blogs und schaute auf TEAMO Comics. Dort vereint die Geschichte des Bartpiraten Blechbart Illustrationen, Lyrik und zwischenmenschliche Dramen aufs trefflichste. Fast so gut wie der Fluch der Karibik und wesentlich besser als die Fortsetzungsfilme. Mehr reflexhaft als bewußt hinterließ ich wie so oft ein paar unausgegorene Bemerkungen in der Kommentarzeile und wurde damit zum Teilnehmer eines Preisausschreibens. Ein paar Tage später, ich traute meinen Augen kaum: Der erste Preis für Alice Wunder. Ein Comic-Anthologie.

Ich dachte, da kommt jetzt ein Heftchen mit drei oder vier Geschichten, die ich mal auf der linken Arschbacke besprechen kann. Aber dann das: Eine Anthologie, 230 Seiten stark zwischen echten Hardcover-Deckeln. Ich musste erst mal nachschlagen, was eine Anthologie überhaupt ist. Als Medium ist Comic ist natürlich die ideale Literatur für Drogenpolitiker. Da kann man sich noch an den bunten Bildchen erfreuen, wenn die Lesekompetenz schon lange mit dem vorvorletzten Joint durch die Lüftung verschwand. Jetzt hab ich sogar das Thema Drogen eingebaut. Trotzdem konnte ich mir was merken. Es gibt einen Wer-Mops, einen globuli-gläubigen Apotheker, der ein Homö-Fest feiert. Und der Held aus TEAMOs Geschichte fällt ziemlich übel auf die Schnauze. Ja, das ist TEAMOs Stil, mit niedlich-harmlosen Bildchen die volle Härte des Lebens darstellen.

Die drogenpolitik wird natürlich nie ein Preisausschreiben veranstalten. Da sprechen viele Gründe gegen. Einmal werden sämtliche Mittel, die der Redaktion zur Verfügung stehen, ohne Verzug hier im Haus verkonsumiert. Da bleibt nichts zum verschenken übrig. Und wenn doch mal, würden wir hier mit so einigen Vorschriften schwer in Konflikt geraten und so unsere Meinungsfreiheit zum Schaden der Leser aufs Spiel setzen. Das kann keiner ernsthaft wollen. Wer aber bei der Drogenpolitik kommentiert, bekommt immer eine Antwort. Oder halt ein Antwort-Like, wenn mal wieder Nebel im Hirn ist.

AW

Blechbart schlägt zu

Richtig wertvoll wird die Anthologie erst durch die persönliche Widmung eines Autoren. Hier ringt der wackere Blechbart gleich drei heimtückische Ninja-Toasts nieder. Alles nur für mich! Trotz vielfachster Amputationen! Ich bin total gerührt.