Schnaps für die Kneipe – John Powers Irish Whiskey

Irish Pub Lir

In seltenen Fällen überwinden wir unsere berufsbedingte Sozialphobie und gehen auch mal auf einen Drink in eine Kneipe. Und dann müssen wir natürlich sofort darüber schreiben. Diesmal traf es das Irish Pub in der Nachbarschaft. Man kann nun darüber streiten ob es der oder das Pub heißt. Genau wie beim Blog, welches ursprünglich ein Web-Logbuch ist, ist Pub eigentlich das Public House und müsste dementsprechend neutral sein. Das kann man aber auch lassen und einfach hingehen und einen trinken. In der kalten Winterszeit kommt da natürlich nur ein Schnaps in Frage, ganz stilecht ein Whiskey. Und zwar jetzt ausdrücklich nicht irgendwas, das älter ist, als unsere Schuhe und Jacken zusammengerechnet und mit unaussprechlichem Namen daherkommt, sondern ganz simpler Trinkstoff. Im Irish Pub drängen sich da zuerst die Namen Paddy und Jameson auf. Die sind mir aber ein wenig zu rau, auch wenn letzterer ein ausgezeichnetes Mittel gegen morgendliche Depression und akuten Zynismus sein soll. Das haben wir aber zur Zeit gar nicht nötig, denn die Stimmung ist gut in der Redaktion. Schließlich stand da im Schnapsregal auch der dritte im Bunde der irischen Alltagsverschönerer:

Der hierzulande nicht ganz so bekannte John Powers

Das ist ein absolut empfehlenswerter Schnaps, der angenehm schmeckt und genau das tut, was er soll. Nämlich von innen wärmen und eine gelöste, nostalgische Stimmung erzeugen. Das führt dann zu schwärmerischer Identifikation mit dem nur als Tourist erfahrenen Nationalgefühl der Iren. Eine bewundernswerte Eigenschaft ist, das dieses Volk scheinbar jedes Unglück zu Kultur verarbeiten kann. Ob das nun verlorene Kriege, Kolonisation, Hungersnot oder eben der Alkoholismus ist.

John Powers Whiskey Glas

Der sanfte, unaufdringliche Kornbrand rief uns dann ein besonders schönes Beispiel dafür in Erinnerung. Und zwar das Buch „The Dalkey Archive“ von Flann O’Brian. Wir lasen vor Unzeiten mal die deutsche Übersetzung, „Aus Dalkeys Archiven“.

Davon ist aber so gut wie gar nichts mehr in Erinnerung geblieben

Wahrscheinlich waren wir beim Lesen zu bekifft und viel zu wenig betrunken. Es dämmerte nur eine Szene wieder auf, wo der Protagonist, dessen Name auch vergessen ist, am Vormittag an einer Bar bei einem Whiskey darüber sinniert, daß er angesichts seiner baldigen Verlobung sein Alkoholproblem in den Griff bekommen und vielleicht demnächst damit anfangen möchte, am Vormittag nur Sherry zu trinken. Wir waren auch schon mal in Dalkey, denn den Ort gibt es wirklich. Das ist ein verschlafener Küstenort südlich von Dublin unter bleiernem Himmel. Es geht dort viel Bergauf und Bergrunter und man findet wenig Gründe, die dagegen sprechen, am Vormittag mit Whiskeytrinken anzufangen.

Also befragen wir Wikipedia. Und tatsächlich kommt die Erinnerung wieder. Der Protagonist und sein Kumpel haben in Dalkey eine wichtige Mission. Sie müssen einen gemeinsamen Freund, den verrückten Professor de Selby, davon abhalten, die Welt zu zerstören. Glücklicherweise ist diese Mission ziemlich angenehm, denn de Selby hat auch eine Zeitmaschine gebaut, die er benutzt, um billigen Trinkwhiskey in kürzester Zeit zu edlen Tropfen reifen zu lassen. Davon dürfen alle seine Freunde ausgiebig kosten. So sind sie geistig gewappnet, wenn der Dorfpolizist ihnen seine wissenschaftliche Theorie unterbreitet. Der zufolge verwandeln sich die Menschen in Fahrräder und die Fahrräder werden dabei ihrerseits zu Menschen. Wenn man es liest, klingt es erschreckend logisch. Ein heiteres Buch. Lest es. Wir sollten das auch demnächst mal wieder tun.

Kerze im Irish Pub Lir

Schwarz und stark – Guinness Foreign Extra Stout

Guinness Foreign Extra Stout

Starkes, bitteres Stout ist absolutes Lieblingsbier hier bei uns in der Redaktion. Klar, der erhöhte Alkoholgehalt spielt dabei natürlich auch eine Rolle. Ein Bier mit deutlich über 6 % Alkohol halten wir für drogenpolitisch äußerst wertvoll. Denn wir wollen ja von einem Bier auch etwas spüren, es sollte dabei aber immer gerne nicht viel mehr als ein Bier sein. Wir müssen schließlich auch auf unsere Linie achten. Zum vorsätzlichen Rauschtrinken empfehlen wir, wie schon verschiedentlich erwähnt, richtige Alkoholika. Wer aber einen Pegel halten muss, der trinkt sowieso Wein. Für Weinbesprechungen trinken wir hier aber doch zu wenig, deshalb fehlt uns die nötige Kompetenz zum hochtrabenden Fabulieren.

Wir bleiben daher in unseren Artikeln lieber bodenständig beim Getreidesud.

Ein hoher Alkholanteil im Bier also hat ja neben seiner spürbaren Rauschwirkung zusätzlich den Vorteil, ausgezeichneter Geschmacksträger zu sein. Man braucht das Starkbier nicht wie Wasser zu stürzen, sondern bekommt mit jedem Schluck eine sättigende Fülle an Aromen. Ein Stout nun hat mitunter sehr viele Aromen. Diese sollten aber idealerweise dicht gepackt sein, zu einem befriedigendem Ganzen. Ich denke gern an kräftiges Essen für kalte Tage. So, wie wenn man in einem lange gekochten Eintopf die einzelnen Zutaten ahnt, aber nicht mehr wirklich unterscheiden will. Sicher, auch bei einem Stout könnte ein Connaisseur fabulieren, über Kaffee und Schokolade, Röstgrade und was einem bei der Nichtfarbe Schwarz halt sonst noch so alles durch den Kopf gehen mag. Aber solche Menschen, ich erwähnte es bereits, schreiben eigentlich lieber über Wein. Ich dagegen denke bei einem gehaltvollen Stout schlicht an Schwarzbrot und Teer. Passend dazu fällt mir „Hot Asphalt“ ein, die schöne Ballade über wackere Bauarbeiter, die Landstraßen asphaltierten.

Wer keine Geduld hat, um bis zur Pointe dieses über mehrere Strophen ausgewalzten Schwankes zuzuhören, kann auch die Suchworte „irische Traveller Wallfahrt“ bei Google eingeben und die Meldungen studieren. Die handeln davon, wie irische Zigeuner im Rheinland Marienverehrung betreiben und dabei die Anwohner und Lokalreporter mit Zechprellerei und seriösen Angeboten, Einfahrten zu asphaltieren, unterhalten. Ich glaube, man darf diese fast zur Ethnie geronnenen Nachfahren von Wanderarbeitern Zigeuner nennen, denn es ist ja nicht rassistisch, solange die Zigeuner weiß und Europäer sind. Außerdem ist es für uns als Rheinische Protestanten statthaft, Katholiken zu verunglimpfen. Wir beneiden die Papisten nämlich schrecklich, weil die kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie an einem ihrer zahlreichen Feiertage vormittags das Biertrinken anfangen.

Die ganze lange Fabuliererei gilt nun einzig einem Zweck:

Nämlich zum bekanntesten Industrieunternehmen Irlands überzuleiten, der Firma Guinness in Dublin. Deren Standardbier, das Irish Drought, ist uns aber zu schwachbrüstig und wässrig, weshalb es auch außerhalb der Stadtgrenzen Dublins überhaupt nicht mehr gut schmeckt. Es gibt allerdings ein stärkeres Exportbier, das Foreign Extra Stout, welches durchaus neben einem Imperial Stout aus handwerklicher Fertigung mithalten kann. Angesichts des Preises von unter 2 Euro pro Flasche ist es sogar ein sehr beachtliches Getränk, wenn man nicht aus ideologischen Gründen sein Alkoholgeld industriellen Brauereien vorenthalten und nur bärtige Kleinbetriebe unterstützen will. Zu kaufen kriegen wir unser Foreign auch nicht in der Bierboutique, sondern im asiatischen Lebensmittelmarkt, wo wir regelmäßig vorbeikommen, wenn wir uns mit unserer lebensnotwendigen Grundausstattung an Glutamat eindecken. Wir empfehlen übrigens immer, das japanische Original-Glutamat und raten von billigen Imitaten ab. Aber egal wie würzig-deftig-scharf die Mahlzeit, ein Stout, zumal ein stärkeres, hält dagegen. Nicht aufdringlich, aber robust. Vielleicht ist das ja auch der Grund, weshalb wohlschmeckendes Stout in vielen ostasiatischen Bierregalen einen festen Platz hat, auch in solchen Ländern, die niemals die zivilisatorischen Wohltaten des britischen Empires genießen durften. Wir erheben also unser Glas auf mehr als 150 Jahre erfolgreiche Globalisierung, die hoffentlich auch weiterhin asiatische Spezialitäten kostengünstig in unsere Küchen spült, aber unsere Nachbarschaft vor irischen Asphaltkochern verschont.

Kaiserlich kräftig – Imperial Stouts

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Schoppe Bräu aus Kreuzberg macht mit dem Black Flag eine fröhliche, seidig-sanfte Variante, ohne die teerige Bitterkeit abzuschwächen.

Stouts sind eigenwillige Biere. Jedenfalls für den kontinentalen Geschmack. Stouttrinken lernte ich entsprechend bei einem Irlandurlaub. Am ersten Abend bekam ich zwei Guinness verabreicht. Mir war leicht übel, obwohl ich mich nicht angetrunken fühlte. Am nächsten Abend aber meldete sich das Bedürfnis nach einem Glas bitter-holzigem Schwarzbier. Und an allen weiteren Abenden des Urlaubs. Aber immer nur eines. Für eine Alkoholwirkung ergänzte ich das Abend-Guinness dann lieber mit Hot Toddy, ein Whiskey-Grog mit Nelken, welcher außerdem als Medizin gilt, die man zu sich nehmen kann, ohne in den Verdacht zu geraten, ein sinnloses Rauscherlebnis zu suchen. Abschließend beurteilt fand ich das Guinness ganz lecker, aber nichts um fröhlich zwei, drei und viele zu trinken. Außerdem schmeckt es außerhalb Irlands fürchterlich, Puristen grenzen den Wohlgeschmack sogar auf das Dubliner Stadtgebiet ein.

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Courage heißt heute die Londoner Brauerei, die wohl das erste Imperial Stout für den Zarenhof braute. Nach Originalrezept entsteht immer noch ein ausgewogenes, leckeres Bier.

Mehrere Leben später stolperte ich dann nichtsahnend über Imperial Stout. Im Prinzip wie ein Guinness, nur mit doppelt so viel Alkohol und doppelt intensivem Geschmack, vom Hahn ungemein köstlich und phantastisch wirksam. Es hatte alles, was einem gewöhnlichen Stout fehlt. Das wurde zu meinem Erweckungserlebnis mit der Craft Beer-Bewegung, ich wähle hier ganz bewußt eine gemischte Schreibweise, die englische Wortkombination ohne Bindestrich, die deutsche Wortverbindung selbstverständlich mit Strich vermählt. So kann man in zwei Sprachen orthographisch anecken. Eigentlich sollte ich jetzt noch was kyrillisches bringen, denn das Imperial Stout ist eine englische Schöpfung, welche aber wohl hauptsächlich für den Petersburger Hof der deutschstämmigen Zarin Katharina erfunden und produziert wurde. Womit dann wieder der Kreis zu den Marketingkonzepten des modernen Craft Beer’s geschlossen wäre, das ja gern mit ironisch gewichstem Traditionsbart und trotzdem flott-polyglott präsentiert wird.

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Mein Favorit, die Berliner Nacht, ist wie alle ernsten Brewbaker-Kreationen überwältigend bitter, aber herzensgut.

Unser Glück dabei, daß bärtige Jungbrauer diesen schönen Bierstil wiederbelebten, der einst mit dem Zarenhof von der Weltbühne verschwand. So dürfen wir heute wunderbare Biere genießen, die gleichsam berauschend stark und dabei disziplinierend bitter und schokoladig-sähmig-sättigend sind. Wer aber mit nur einem Glas einen anständigen Rausch wünscht, der sollte den Outlaw Czar probieren, ein Cocktailrezept das ich bei schlimmerdurst fand. Es handelt sich dabei im Grunde um ein dunkles Herrengedeck, also schwarzes Starkbier mit Schnaps. Ich hielt mich nur sehr vage an die Mengenangaben, im Pokal schwamm dann dickflüssige Trunkenheit, die sich wie Straßenteer über samtliche Synapsen legte und auch am nächsten Tag noch deutlichste Erinnerungen an einen sehr verschwommenen Abend hervorrief.

Die drei drogenpolitisch empfehlenswerten Imperial Stouts sind übrigens kurz in den Bildzeilen besprochen.

Set und Setting mit irischen Bieren

Smithwicks

Eine Pint Smithwick’s mit ihrem kleinen Bruder, dem Glas Cider.

Jeder Hobbypsychotiker der zum Zwecke der Bewußtseinserweiterung halluzinogene Drogen nimmt, kennt die Begriffe Set und Setting. Demnach ist die Wirkung einer Droge beeinflusst von Umgebung (Setting) und der persönlichen Verfassung des Konsumenten (Set). Beim Alkohol macht man sich darum weniger Gedanken. Die Regeln für verantwortungsvolles Trinken scheinen dank jahrhundertelanger Tradition einfach: Viel hilft viel! Trink möglichst viel zusammen mit möglichst vielen Leuten. Gib dabei möglichst wenig Geld aus, dann kannst Du das Spiel möglichst oft wiederholen. Die Legende vom mäßigen Weingenuss ist übrigens nur ein kulturelles Mißverständnis. In Ländern wo schon Mittags Alkohol getrunken wird (überall südlich des Mains) muss man grade so nüchtern bleiben, dass man bei der Arbeit noch mitkriegt, wo sich die Kollegen abends zum Saufen verabreden.

Murphy's in seinem natürlichen Habitat.

Murphy’s in seinem natürlichen Habitat. Niemand weiß genau, ob es ein helleres Stout oder ein sehr dunkles Ale ist.

Aber auch Biergenuss ist Abhängig von Stimmung und Ambiente. Das kann man leicht am Beispiel irischer Biere nachvollziehen. Ein Ale, bestellt an grauem deutschen Dienstag im Irish Pub um die Ecke (die kitschigen Läden mit der komischen Musik) schmeckt, wie so eine britische Plörre ohne Schaum eben schmeckt: weder richtig bitter noch richtig süß. Deutlich besser bekommt da ein Craft-Beer zu selbstgekochtem Essen zu Hause.

Beamish

Beamish beweist: Kein Gesetz schreibt vor, dass irisches Schwarzbier immer von Guiness sein muss.

Ganz anders schmeckt das gewöhnliche Allerwelts-Ale (oder auch ein Stout) im wild-romantischen Westen Irlands: Eine genussvolle Offenbarung, gewürzt mit salziger Atlantikluft voll Wind und Regen. Am besten entspannt in Urlaubsstimmung. Überkandideltes Craft Beer braucht da keiner, das normale Bier ist lecker und teuer genug.

Wiederum völlig anders wird es dem Einheimischen bekommen, der es als Feierabend-Frust-Bier kippt, um den Alltag in einer strukturschwachen Region am hinterletzten Ende des Kontinents zu überleben.

Cliffs can kill

Auch im Urlaub kann Alkohol zu einem bösen Absturz führen. Dann verliert man seine Bierflasche und landet in der gesellschaftlichen Versenkung, wo ein einsamer Tod wartet.