Am letzten Abend in Japan gelang es mir dann doch noch, ein ordentliches, einheimisches Craft Beer zu finden. Für ausgiebige Kneipentouren nämlich eignet sich so ein Familienurlaub nicht wirklich. Dazu fand ich es wirklich schwierig, mich in der extrem dicht bebauten Konsumlandschaft zurechtzufinden. Nur mit Hilfe wurde ich schließlich auf ein beachtlich großes Kaufhaus aufmerksam, welches irgendwie zwischen eine Mall und diverse, verschachtelte Bahnhaltestellen gequetscht war. Ich vermute, die Architekten verstießen beim Bau gegen diverse Naturgesetze, ähnlich wie die genehmigungsfreie Anlage von Gleis 9 3/4 für Harry Potters Hogwarts-Zubringer. Oder sie verwendeten Pläne aus einem Buch von M.C. Escher.
Jedenfalls war es auf einmal da, das Kaufhaus. Und im Kellergeschoss befand sich eine ordentlich große Lebensmittelabteilung mit unter anderem einem schönen, bunten Bierkühlschrank. Völlig willkürlich und weil ich auf den ersten Blick kein Stout fand, wählte ich das W-IPA von der Minoh-Brauerei aus Osaka. Damit fiel mir dann ein ganz beeindruckend leckeres Double IPA in die Hände. Der leicht stechende Zitrusgeruch wird sofort beim ersten Schluck abgefedert von einem schweren, brotigen Körper. Das schmeckt sättigend, als ob man ein Vollkornbrot bis kurz vor zuckersüß durchkaut. Dabei schwebt die ganze Zeit der Zitrusduft über allem. Das wirkt dann insgesamt, wie so ein englischer Teekuchen mit kandierten Früchten, die mal mehr rot und süß, mal eher orangenschalig bitter daherkommen. Von 9 % Alkohol schmecke ich nichts. Sehr gut gefällt mir, dass der Hopfen, auf dem Etikett steht Cascade, durchaus scharf herauskommt und dem Bier hochwertige Komplexität verleiht. Dabei erschlägt er aber nicht die Geschmacksnerven und fügt sich sehr harmonisch in den Malzkörper.
Richtig sympathisch erscheint mir überdies die Minoh-Brauerei, wo ich bei der Nachrecherche auf diese liebevolle Reportage gestoßen bin. Kurz zusammengefasst, handelt es sich wohl um ein kleines Familienunternehmen, das unter rein weiblicher Leitung weltklasse Craft Beer kreiert. Da bedaure ich im Nachhinein, nicht mehr Zeit in die Bierforschung investiert zu haben. Denn die Stouts der brauenden Töchter der Ohshita-Familie werden in den höchsten Tönen gelobt und auch das Pale Ale von Minoh wurde mir wärmstens empfohlen.