Fette Ente an Moonshine Whiskey – Buchbesprechung „Fup“ von Jim Dodge

Neulich kam Fup in unsere Redaktionsräume. Fup ist eine Ente und Hauptperson in dem gleichnamigen Buch von Jim Dodge. Fup ist ein heiteres Märchen, das wir mit Vergnügen in zwei oder drei Tagen genossen haben. Fup ist keine große Literatur, es ist ja auch nur ein ganz kleines Buch mit wenig mehr als 100 Seiten, die auch noch von etlichen Zeichnungen, zur besseren Veranschaulichung der Handlung, aufgelockert sind. Aber in ihrer Kleinheit ist Fup eine Perle. In der englischsprachigen Welt ist die 1983 erschienene Geschichte wohl schon eine Art Klassiker. Für deutsche Leser gilt als Qualitätsbeweis, dass Fup von Harry Rowohlt eigenhändig übersetzt wurde. Wir kennen weder Herrn Rowohlt noch Herrn Dodge persönlich. Uns hat einfach die Geschichte gefallen.

Sie ist rau, stellenweise zu häßlich, um sie Kindern vorzulesen, ohne sich als Erwachsener für das Erwachsensein schämen zu müssen. Für Erwachsene wiederum ist Fup oft zu profan.

Die Ente Fup Duck lebt mit dem alten Grandpa Jake und seinem Enkel Tiny zusammen auf einer Farm irgendwo im nördlichen Kalifornien ein relativ einsames und beschauliches Leben. Eigentlich sind sie alle ziemlich Fup duck. Tiny ist verwaist, seine Mutter starb bei einem tragischen Unfall am Ententeich, Tiny wurde als Kleinkind Zeuge des Unglücks. Er wird seit dem von Großvater Jake aufgezogen. Der wiederum scheint für die Kinderaufzucht erstmal nicht besonders gut geeignet zu sein. Er ist bärbeißig, schlecht beleumundet und in unanständig hohem Greisenalter. Der rüstige Mittachtziger verdient sein Geld mit Selbstgebranntem und privaten Pokerrunden, als Hobby sucht er gern Streit.

Wenn die Rolle der fehlenden Mutter ersatzweise von einer Ente ausgefüllt wird, darf der Großvater eben auch eine Schnapsdestille im Schuppen verstecken. Der alte Jake ist angekommen. Er hat immerhin das ultimative Schnapsrezept und mit der Herstellung des perfekten Lebenswassers Aufgabe, Bestimmung, Sinn und Ziel. Frauen haben da keinen Platz mehr, Jakes Geist ist mit Glücksspiel und Schwarzbrennen in Beschlag genommen.

Das Waisenkind gerät dann natürlich etwas merkwürdig. Die Umgebung ist nicht wirklich gesund für ein Kind und der Enkel wächst selbstverständlich zu einem äußerst kauzigen Berg von einem zwei Meter großen Kindmann heran. Seine Tage auf der Farm füllt er aus, in dem er mit äußerstem Ehrgeiz Barrikaden gegen die Aussenwelt errichtet. Aber zumindest hat der Junge einen herzensguten Charakter.

Viel mehr passiert nicht

Trotzdem gibt es genügend Merkwürdigkeiten zu erzählen.

Natürlich saufen sie alle drei permanent ihren Fusel, sonst wäre ihre Existenz ja auch kaum auszuhalten. Grandpa Jake verdrückt täglich mindestens einen halben Liter, er beginnt damit schon nachmittags, unmittelbar nach dem Aufstehen. Er trinkt, um seine Träume in Fahrt zu bringen. Er träumt gern und schläft stets bis Mittags. Tiny trinkt immer nur einen Schluck vor dem Schlafengehen, um die Träume fernzuhalten. Tiny träumt nicht so gern und steht gern früh auf. Die Ente ist in ihrem Konsummuster irgendwo zwischen Grandpa und Tiny einzuordnen. Sie neigt aber eher Richtung Grandpa. Die Ente scheint also ebenfalls eine Träumerin zu sein, obwohl sie, wegen ihrer Verfressenheit, auch früh aufsteht. Sorgen um irgendwas brauchen sie sich nicht zu machen, denn der Schnaps macht sie unsterblich. Ente und Großvater haben Glück und Sinn gefunden. Tiny jagd seinem noch hinterher, er wird es aber finden.

Hier wird also das Märchen vom herzensguten Haderlump erzählt, der versoffene Spieler, der gleichzeitig der richtige Ziehvater für ein bedürftiges Waisenkind ist. Es scheint ein beliebtes Märchenmotiv aus dem amerikanischen Legendenschatz zu sein. Die kalifornische Landschaft bietet dafür ja auch die passende Kulisse, eine Märchenwelt, in der ein Spieler mit Chuzpe sich eine Farm als Lebensgrundlage gewinnen und unterhalten kann. Das Motiv ist uns übrigens leidlich bekannt aus Film und Fernsehen, in vertrackten Situationen gestrandete Menschen, die irgendwie miteinander ihr Glück finden. Die zweieinhalb Männer des Charly Sheen fallen da spontan ein – einem Ashton Kutcher nimmt man den Trunkenbold nicht ab. Sehr anrührend dagegen hat in jüngerer Zeit Bill Murray als heiliger Vincent das Thema sogar auf die Kinoleinwand gebracht.

Der wirklich wahre Experte für verlorene Seelen am Pazifikstrand ist natürlich der große Steinbeck. Steinbeck nun ist gewaltig, echt episch, deshalb auch anstrengend und oft sehr traurig. Die Kinder werden zu früh erwachsen und vor allem Steinbecks Frauenbild ist noch sehr konservativ. Da wüten östlich von Eden männerfressende, scheinbar direkt der Hölle entsprungene Prostituierte. Arme, alte Mütter wiederum versterben auf kräftezehrender Wirtschaftsflucht und müssen ohne Grabstein verscharrt werden in fremder Erde, aus welcher dann zwangsläufig nur Früchte des Zorns wachsen können. Steinbecks Frauen kosten Nerven.

Das tut Fup in keiner Weise. Eine fette, zickige und autoritäre Ente ist nun mal viel beschaulicher und harmloser. Als einzige weibliche Hauptrolle in dem kleinen Märchen funktionert sie. Völlig anders als erwartet, aber erstaunlich gut funktioniert sie. Wer eine Rezension lesen will, die aus den wichtigsten Textstellen besteht, kann sich hier beim Deutschlandfunk davon überzeugen.

Jim Dodge hat mit Fup eine ehrliche Komödie über eine tieftraurige Situation geschrieben. Denn wenn eine Katastrophe erst einmal Alltag geworden ist, kann man darüber lachen. Und an seinem persönlichen Rezept für das Glück feilen. Eine Farm im Nirgendwo und eine Destille sind ein guter Anfang. Viel mehr braucht man auf der Welt nicht zum Glücklichsein.

Enten kämpfen

Anslinger, der erste Drogenkrieger – Buchbesprechung

KaleidoskopischAngeblich kann man ja Bücher rezensieren, die man gar nicht gelesen hat. Heute versuche ich das mal mit einem, das ich jetzt zur Hälfte geschafft habe. Weil die Drogenpolitik ihrem wöchentlichen Rhythmus hinterherhinkt und langsam mal wieder was kommen muss. Aber auch, weil das Buch wirklich gut ist und ich es auf jeden Fall zu Ende lesen werde. Aber schon jetzt gibt es genug, zum Nachdenken.

Alexandra Chasin: Asassin of Youth – A Caleidoscopic History of Harry J. Anslinger’s War on Drugs

Als ich noch von morgens bis abends bekifft war, habe ich mehr und schneller gelesen. Es kann also an mir liegen, daß ich nicht recht voran komme. Aber die Autorin, Alexandra Chasin, benutzt auch eine recht anspruchsvolle Sprache. Das Englisch ist poetisch, verträumt und assoziierend. Oft muß ich im Wörterbuch nachschlagen, weil ich gar nicht glauben kann, daß ich ihre Sätze wirklich richtig verstanden habe. Andere Wörter kamen mir im Leben zum Ersten mal unter. „Bailiwick“ etwa ist kein irischer Slangausdruck für einen Trunkenbold, sondern tatsächlich das Fachwort für „Amtsbezirk“. Ehrlich, ich hab das nachgeschlagen.

Es geht um den Drogenkrieg des Harry Anslinger, den Mann, der praktisch alleinverantwortlich sämtliche heute geltenden Drogenverbote durchgesetzt hat. Eigentlich ein hochspannendes Thema. Die Person Anslinger schien aber leider ein todlangweiliger Bürokrat gewesen zu sein. Die experimentelle Autorin Chasin versucht, sich der Person Anslinger in kaleidoskopischen Bruchstücken zu nähern. Sie macht das in kurzen Kapitel welche für sich angenehme Häppchen sind, die sich erst später zu einem Gesamtbild fügen. Ganz wunderbar gelingt ihr das, wenn sie ein Sittenbild der fortschrittshungrigen amerikanischen Gesellschaft vor und nach Anslingers Geburt 1892 malt.

Weiß noch jemand, worum es bei dem Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ ging? Charles Bronson redet wenig und erschießt Bösewichter im Staub, drei Stunden lang. Aber warum? Es ging um die Eisenbahn und Grundstücksspekulationen. Chasin setzt danach an, in der kleinen Geburtsstadt Anslingers, Altoona, Pennsylvania. Die hat den Staub und das Elend gebändigt unter Bürgersteigen und gepflasterten Straßen, finanziert von der alles beherrschenden Eisenbahn, bei welcher auch Anslinger sein Berufsleben begann und seine Leidenschaften entdeckte: Statistik, Logistik und Werkschutz.

Als  Ulysses-Fan versucht Chasin natürlich auch in die Gefühlswelt des geborenen Verwaltungsbeamten einzutauchen. Das ist interessant, aber wenig spannend, denn Anslinger scheint eine furchtbar unaufregende Persönlichkeit gewesen zu sein. Natürlich deutschstämmig, sogar zu 100% alemannisch, mit badischer Mutter und Schweizer Vater. Wohl konnte er hervorragend Netzwerken und Kommunikation kontrollieren. Vielleicht ein Grund, weshalb er der Nachwelt wenig persönliche Dokumente hinterließ, dafür umso mehr gleichförmiges Material von seinem Propagandafeldzug gegen das Teufelskraut Marihuana. Der beginnt aber erst nach mehr als der Hälfte des Buches.

War Anslinger also Schuld an den Drogenverboten? Nein, hätte er es nicht getan, hätte es ein anderer gemacht.

Prohibition und Drogenverbote waren ziemlich unausweichlich. Es gab offensichtlich Probleme und es gab die Sehnsucht nach Ordnung und Nüchternheit. Die Beschlüsse wurden schon gefaßt, bevor Anslinger in den amerikanischen Finanzbehörden Karriere machte.  Die Amerikaner kannten Opiate gut und lange, seit dem Bürgerkrieg war die Abhängigkeit als „Soldatenkrankheit“ verbreitet. Die ist übrigens noch heute in der Folklore präsent, anders als bei uns Deutschen, die wir seit Hermann Göring gar nicht mehr gern über die Morphinisten in unserer Verwandtschaft reden.

Die amerikanische Soldatenkrankheit aber grassierte ungehindert 40 Jahre lang und beschränkte sich nicht auf kriegsversehrte Schmerzpatienten, sondern griff um sich wie ein ansteckende Seuche. Herd der Ansteckung war das Mittel selbst, unkontrolliert verteilt von profitorientierten Pharmazeuten, viele Menschen litten darunter. Und die entstehende Großindustrie, auch die allmächtige Eisenbahn, bevorzugte nüchterne Angestellte, denn die arbeiteten produktiver. Die Blaupausen vieler Gesetze zum Drogenverbot waren tatsächlich betriebsinterne Verhaltensvorschriften von Konzernen.

Das faktische Drogenverbot, Alkohol eingeschlossen, erfolgte dann in den USA noch vor dem ersten Weltkrieg, über Lokale Verordnungen, die zu Bundesgesetzen führten. Wohl kritisierten schon damals viele Ärzte, das Drogenproblem mit der Strafjustiz anzugehen, denn es würde viele anständige Menschen zu Verbrechern machen, nur weil sie ein wenig Heroinsüchtig seien.

Anslinger und seine Vorgänger aber konnten besonders gut Horrorgeschichten erzählen, mit Sex und neu erfundenen Verbrechen. Die nahm die Regenbogenpresse begeistert ab. Also verwob er medienwirksam Kriminalität, Drogenchaos und vor allem ausländische Bedrohung und positionierte so seine Drogenbehörde in der Öffentlichkeit. Die Drogenseuchen kamen für ihn nicht etwa aus der Mitte der Gesellschaft, sondern wurden von minderwertigen Ausländern, Chinesen und Mexikanern, eingeschleppt. Als Gegenmittel bot er Importkontrolle und strenge Einwanderungspolitik und traf damit den Nerv der Zeit, bis heute.

Wir lernen, ein Drogenverbot bedeutet eine Menge Verwaltungsaufwand. Die landesweite Durchsetzung in den jungen USA ist dabei Lehrstück eines entstehenden Staates. Das ist interessant, auch und grade für uns aufgeklärte Europäer, die wir versuchen, unseren Kontinent zusammenwachsen zu lassen. Der Staat, der versucht, sich durchzusetzen, muss zunächst Daten erheben und so herausfinden, was er eigentlich will. Dann müssen all die die kleinen, widerstrebenden Mächte überzeugt werden. Und dazu muss man vor allem die richtigen Geschichten erzählen. Und unter den Geschichtenerzählern war Anslinger ein großer, denn niemand erinnert sich an ihn, aber seine Märchen wirken weiter.Cover

 

Craft Beer gut gekühlt genießen

Lauwarme Cervisia

Die richtige Temperatur des Bieres war schon in der Antike ein strittiger Punkt, vor allem in der ohnehin schwierigen Beziehung von Kontinentaleuropa und Britannien, wie diese historische Zeichnung, wahrscheinlich aus den späten 1970ern, eindrucksvoll belegt.

Jede Droge hat ihre Szene und jede Drogenszene hat ihre Rituale, Regeln und Accessoires. Das kann durchaus die Gesellschaft prägen. Ohne Tabak etwa würde niemand zu feierlichen Anlässen ein Smoking Jacket tragen. Manche vermuten sogar ernsthaft, Drogen und der Kult darum seien der eigentlich Grund für Sesshaftwerdung der nomadischen Menschen und damit der eigentliche Anlass für alle Kultur. Die Gebräuche um den Wein sind fast sakrale Gesetze, eine Wissenschaft die alle Bereiche umfasst: sei es, die richtige Lagerung, passende Gefäße, richtige Sorte zum Richtigen Anlass, natürlich in den richtigen Gläsern. Der Kult um das Bier, oder besser, die vielen Biersorten, ist, grade bei uns in Deutschland ähnlich vielfältig, aber noch nicht so sakrosankt, zumindest aber bodenständiger als beim Wein. Eine universelle Übereinkunft war, es muß kalt getrunken werden.

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Die Stone Brewing Co ist ein Flaggschiff des Craft Beer und mit fast 400000 Hektolitern Jahresausstoß ein Branchenriese jenseits von Micro Brewing. Der Gründer, Greg Koch, propagiert vehement sorgfältige Lagerung und Frische. Diese importierte Flasche Ruin Ten war aber trotz Regallagerung und abgelaufenem MHD mit das beste und beeindruckendste Bier, das ich je getrunken habe. Ein satter fruchtiger Malzkörper trägt eisige Bitterkeit und darauf schwebt schnittfrischer Koriander und Salbei.

Die Craft Beer-Bewegung aber ändert alles. Brauspezialitäten nach britischen Rezepten dürfen auf einmal etwas wärmer getrunken werden. Dafür wird die gekühlte, werterhaltende Lagerung der aromatischen Rauschtränke auf einmal ein heiß diskutiertes Thema. Das überraschte mich, denn eigentlich wollte ich nette, reportagenartige Portraits über die Dealer in meiner Nachbarschaft schreiben. Ich plauderte darüber in Foren, wo sofort die Frage nach der korrekten Lagerung, insbesondere Kühlung aufkam. Kunden und auch erfahrene Bierhändler engagierten sich stark und gerieten auf einmal richtig in Rage.

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Der Arrogant Bastard, gekühlt und aus der Dose, ist ein Erlebnis von einem Starkbier. Er kommt etwas ruppig, weil die Macher von Stone wohl in Gründertagen ohne jede Erfahrung von allem Hopfen ziemlich viel benutzten. Das Ergebnis jugendlichen Überschwangs wird bis heute gern konsumiert und inzwischen auch in Berlin gebraut.

Es verhält sich wohl so: Achtlose Behandlung auf dem Weg vom Braukünstler zum Kunden kann die ganze, feine Aromatik zerstören und ist für wahre Liebhaber ein ganz unglaublicher Frevel am Bier. In der Biernation Deutschland interessierte das bisher keinen, die Industrieware ist weitgehend unempfindlich und stabil, der Supermarkt stapelt in seinen halbwegs klimatisierten Hallen, gekühlt wird zu Hause. Für das neumodische Craft-Zeugs wird da keine Ausnahme gemacht und wenn eine Sorte die Behandlung nicht verträgt, ist es eben Pech für den brauenden Kleinunternehmer.
Auf einmal aber verlangen die Kunden von einem Fachhändler in dem Metier besonderes Fingerspitzengefühl und eine geschlossene Kühlkette wie bei Frischfisch. Da wird auch durchaus viel Fachwissen eingebracht. Es sind zum Teil Privatleute, die selber brauen oder viel Mühe und Geld in den Ausbau ihrer Lagerkapazitäten investieren. Man unterschätze nie den Deutschen, der in seinem Hobby aufgeht. Wenn das Hobby dann noch Bier ist, hört jeder Humor auf.

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Barleywine ist für lange Lagerung gebraut. Das Old Norway von den Orkney-Inseln überzeugte durch fruchtig-lieblichen Malzkörper mit dezenten Hopfennoten. Ein rundum angenehmes Getränk ohne jede Wildheit, dafür mit jeder Menge interessanten Aromen.

Kleine Händler im Nischenmarkt wiederum wehren sich oft gegen die Forderung nach lückenloser Kühlung und Frischegarantie. Es wäre schön, aber neben den Investitionen wären die laufenden Stromkosten untragbar. Craft Beer kommt nicht umsonst aus den USA, wo Energie nahezu umsonst ist. Außerdem sei gekühlte Lagerung für die meisten Sorten überhaupt nicht nötig, gut gemachtes Bier ist wenig empfindlich, sicher alles verändert sich, aber die meisten Sorten nicht unbedingt zum Schlechteren. Schließlich wird auch schon länger ein Kult um Jahre im Keller gelagerte, belgische Dunkelbiere betrieben.

German IPA tapped

Brlo German IPA, bei Sonnenschein direkt vom Brauhaus am Gleisdreieck schmeckt tatsächlich wesentlich besser als aus der Flasche: hier Kräuterduft und Zitrusfrische, wo in der Flasche nur Vollkornbrot übrig blieb, immer noch schmackhaft, aber nicht wirklich beeindruckend.

Brauer und Großhändler vertreten da eher gemäßigte Positionen, die, weil sie sowohl mit Kunden als auch Händlern auskommen müssen, natürlich beiden Recht geben. Viele Biere sind tatsächlich relativ unempfindlich. Vor allem die Dose erlebt als nahezu undurchlässiger Konservierungspanzer auf einmal ungeahnte Ehren. Anderen Sorten, vor allem den alkoholstarken und sehr malzigen, schadet das Altern nicht und kann sie manchmal sogar verbessern.
Kritisch wird es aber tatsächlich bei hopfenbetonten Bieren. Die Aromen sind sehr flüchtig und empfindlich. Und leider steht der gezielte Einsatz von Aromahopfen im Mittelpunkt des modernen, kreativen Brauens. Man könnte fast sagen Craft Beer lebt vom Aromahopfen. Das betrifft besonders IPA und Pale Ale, die typischen Bierstile der amerikanischen Brau-Rennaissance. Aber auch unsere heimischen Biere wie Pils, Alt oder Weizen werden mit charakteristischen Hopfensorten aufgewertet. Das empfindliche Pflänzchen der aufkeimenden Handwerksbraukunst droht also in staubigen Bierregalen zu verdorren, noch bevor es aufblühen konnte.

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Das amerikanische Old Stock Ale von 2014 kam, bei immer noch angenehm-lieblichem Körper mit sehr vollem Antrunk, der fast an ein Weizenbier erinnerte, dann aber mit herber Gerste abschloss. Barleywine könnte sich zu einem bevorzugten Bierstil der Drogenpolitik entwickeln.

In der guten, alten Zeit wurde das Bier immer frisch in der unmittelbaren Nachbarschaft des Brauhauses getrunken. Die regionalen Zutaten und ein individueller Hefestamm machten jedes Produkt zu einem einmaligen Geschmackserlebnis. Für Rheinländer ist es immer noch klar, das Kölsch trinkt man nur frisch in der Region, am besten direkt in der Brauerei. Aber ein moderner Micro Brewer kann leider von seiner konservativen Nachbarschaft auf dem Dorf nicht leben. Die interessierte Kundschaft für seine höherpreisigen Kreationen aus feinen Hopfenaromen sitzt oft weit weg in ihrer weltumspannenden Filterblase. Das ist natürlich ein großes Manko für die Craft Beer-Bewegung. Die einzigen, die eine Kühlkette gewährleisten könnten, wären große Supermarktketten. Die würden dann aber einen Bierkühlschrank nur mit Produkten solcher Hersteller befüllen, die entsprechend groß und überzeugungsstark wären.

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Grünhopfen-Sticke „Jrön“, ein Gemeinschaftsprodukt von Uerige und der Kehrwieder-Kreativbrauerei ist auch aus ungekühlter Flasche ein phantastischer Beweis, daß man in Deutschland eigentlich kein amerikanisches Craft Bier braucht. Altbier trägt Hopfenbombe und macht das richtig gut.

Bei der Drogenpolitik sind uns solche Paradoxa aber letztlich ziemlich egal. Wir haben etliche gute Dealer und vor allem auch Brauer in Zufußgehnähe. Direkt vom Hahn in der Craft Beer-Hauptstadt schmeckt es nunmal am besten. Außerdem interessieren wir uns besonders für rauschkräftige Getränke mit mindestens 8 %, bei denen der Alkohol die Aromen konserviert und haben da auch in der Resterampe mit abgelaufenem MHD gute Erfahrungen gemacht. Und ja, wenn ein auswärtiges Flaschenprodukt nicht schmeckt, dann kaufen wir das nicht noch mal ohne darüber nachzudenken, wer nun dafür verantwortlich war.
Trotzdem raten wir allen bierinteressierten Lesern abschließend: Unterstützt die Brauer in Eurer Nachbarschaft, dort schmeckt es am besten. Wenn ihr auswärtige Biere kauft, beurteilt einen handwerklichen Brauer nicht nach der ersten Flasche. Sprecht Eure Fachhändler höflich auf das Thema Lagerung und Haltbarkeit an und erkundet in netter Plauderei, was der einzelne empfiehlt.

Die Drogenpolitik bedankt sich beim Team von Bierhandwerk.de für informative Hintergrundgespräche. Der Bierhandel, von Braufachleuten betrieben, machte auf uns einen sehr seriösen und vor allem engagierten Eindruck. Unter „Fresh Finest“ bieten sie Bierspezialitäten aus lückenloser Kühlkette im Online-Versand an. Wir haben dort bisher noch nichts gekauft und auch keine kostenlosen Proben bekommen. Die Adresse scheint aber ein guter Ansprechpartner zu sein für Biertrinker ohne Brauerei in der Nachbarschaft.

Double IPA hilft bei Filmbesprechung

Etikett

Wenn man einen amerikanischer Film mit irischer Geschichte schaut und dabei ein berliner Bier, gebraut nach britischem Rezept in amerikanischer Tradition trinkt, ist das dann schon Globalisierung?

Heute erzähle ich von einem komplizierten Bier und wie mir der unkomplizierte Film „Brooklyn“ half, es zu verstehen. Nun fragt sich der aufmerksame Leser, wieso soll man Bier verstehen? Es handelt sich dabei um das  Berliner art Double IPA von Brewbaker. Nach handwerklicher Brautradition sind auf dem Etikett die Bittereinheiten in IBU angegeben. Das Double IPA wartet mit 120 davon auf. Auch wenn es heftigere Biere gibt, gilt 120 IBU wohl als das bitterste, was ein Mensch schmecken kann. Und das ist ziemlich heftig, etwa so prickelnd wie ein Sturm, der Eisregen ins Gesicht peitscht. Wenn die Temperatur des gekühlten Getränks steigt, tritt die Bitterkeit zurück und macht schwerem, pappigem Malzzucker Platz. Am Ausschank von Brewbaker unterhielt ich mich mal mit Gästen und einer meinte, er verstehe das Double IPA nicht. Es handelt sich also um einen intellektuellen Prozeß. Damit hätte ich es belassen können. Und falls Ihr meine geschätzten Leser aufmerksam geblieben seid dürft Ihr Euch sicherlich fragen, wie bekifft ist denn bitteschön die Redaktion der drogenpolitik, wenn sie sich ein untrinkbares – oder unverständliches – Gebräu wiederholt ins Haus trägt? Zu Eurer Beruhigung: Ich bin meist ziemlich bekifft, auch beim Einkaufen. Aber wenn ich beim Dealer wahllos Produkte von Brewbaker einpacke, handele ich durchaus rational. Denn der handwerkliche Brauer unterscheidet sich von der Großindustrie auch durch geringen Ausstoß und geringe Liefertreue. Wenn also wieder eine Palette den Weg in den Laden fand, tut man gut daran, sich ein paar Fläschchen zu sichern. So kam es, daß ein Berliner art da war, als wir beschlossen, Brooklyn anzusehen.

Der Film nun erzählt das irische Einwanderer-Märchen, unterlegt mit herziger irischer Volksmusik. Es flieht aber nicht Paddy vor der Hungersnot, sondern seine strebsame Nachfahrin Eilis, welche die provinzielle Ödnis der irischen 1950er aus dem Land treibt. Die Geschichte bedient sich der Klischees, ja, es gibt die boshafte Krämerin und den moralmächtigen Pfarrer. Aber es passieren keine Dramen, wie Hollywood sie uns lehrte. Für Alpträume ist kein Platz in der kleinbürgerlichen Enge, es gibt Keine Gewalt, keinen Mißbrauch. Und absolut skandalös: Die Heldin, gespielt von Saoirse Ronan (keine Ahnung, wie man den Vornamen ausspricht) entscheidet sich gegen ihr Herz, für eine vernünftige Ehe in der neuen Welt. Denn während sie ihren amerikanischen Aufstiegstraum von der Fachverkäuferin zur Buchhalterin lebt, muß sie für eine Beerdigung wieder auf Besuch in die irische Heimat. Die ist kuschelig, gutgebaute Rugby-Spieler, die Haare rot und schwarz, manchmal blond, flirten im vertrauten, singenden Dialekt. Und trinken Bier, meistens schwarz oder rot, weniger blond. Von Kindheit an durchs Werbefernsehen konditioniert funktioniert mein Pawlowscher Reflex einwandfrei und ich gehe wie ferngesteuert zum Bierregal. Ich schüttete das naturtrübe, rötliche Getränk bei Zimmertemperatur ins Glas, wunderte mich ein wenig über den fehlenden Geruch nach Heu und trank. Keineswegs wurde ich niedergeschlagen, vielmehr verstand ich das Double IPA auf einmal. Wie die Immigranten-Liebe war es kein bißchen lieblich oder duftig. Vielmehr von eiserner Bitterkeit mit einer soliden, zukunftsfrohen Süße im Abgang. So einfach.

120 IBU

Wenn die Bierbrauer noch längere Romane auf ihre Etiketten drucken, kann ich mir hier die Bierbesprechungen bald sparen…

Neue und alte Schamanen

Wer sich mit Drogen und Trance beschäftigt, landet oft beim Schamanismus. Schamanische Weltsichten beschreiben gut im Rausch erlebte Phänomene, ohne die Aufdringlichkeit der organisierten, missionarischen Religionen. Ein Prophet des modernen Schamanismus ist Carlos Castaneda. Als ich anfing zu rauchen, hörte ich, Castaneda schreibt nützliche Sachen über Halluzinogene. Also kaufte ich ein Buch, „Das Feuer von Innen“. Ich hatte das falsche ausgesucht, da stand nix von Drogen. Doch, Castaneda bekam bei ’ner Bergwanderung das Zigarettenrauchen abgewöhnt. Sonst verstand ich nicht viel. Was auch an schlechter Übersetzung liegen mag. Castaneda beschreibt, wie ihm sein Lehrer Don Juan Wissen schenkt. Der Lehrer klopft ihm auf die Schulter und verschiebt damit seinen Montagepunkt. Dann sieht Castaneda die Welt wie sie wirklich ist. Aber es ist komplexer. Es finden sich viele Gedanken, die wir in der westlichen Welt durchaus nachvollziehen, zum Teil schon gedacht haben. Etwa philosophische Beschreibungen der Wirklichkeit oder Ergebnisse der theoretischen Physik. Castaneda verbindet seine Phänomenologie jedoch mit praktischem Anspruch. Damit sind nicht ethische Regeln gemeint, sondern aktives, magisches Handeln, basierend auf den sinnlich erfahrenen Erkenntnissen. Ich hatte mal einen Freund, der gerne viel über Taoismus und Castaneda redete. Irgendwann fand er ein Gruppe, die Tensegrity praktizierte. Angeblich Übungen die auf den Lehren Castanedas beruhen. Einmal begleitete ich ihn und eine seiner neuen Freundinnen auf einem Spaziergang. Sie analysierten einander. Nein, sie ermahnten sich gegenseitig zur Selbstanalyse. Ich glaube, sie nennen das Pirschen. Sie nahmen mich nicht auf in ihre Kommunikation und ich bemühte mich nicht um Aufnahme. Danach brach der Kontakt ab.

Über diesen Freund lernte ich vorher mal einen Schamanen kennen. Der kam aus Montana, USA und war beim Volk der Crow Medizinmann. Ein netter, bescheidener Mann mit einem harten Leben. Der klopfte niemandem auf den Montagepunkt. Er leistete im Reservat, wo er herkam schwerste seelsorgerische Arbeit. Bei Menschen ohne Geld und ohne Zugang zum Gesundheitssystem, dafür mit endemischen Alkohol- und Gewaltproblemen hilft in vielen Situationen nur noch beten.

Wir durften an einer seiner Schwitzhütte teilnehmen. Da sitzt man nackt im Kreis, in einem stockdunklen Deckenzelt, in der Mitte eine Grube glühender Steine. Dann gibt’s Aufgüsse, bis die Schwarte brennt. Und der Heiler ruft seine Hilfsgeister. An dem Tag sollte er den wehen Rücken von jemandem behandeln. Die Geister kamen auch. Die kannte ich schon, hier zu lesen. Es sind die selben, die Schizophrene befallen und dann mit der Stimme des Kranken reden. Hier aber war der Medizinmann Chef und die Geister kuschten. Ob die Geister den Rücken wieder gut gemacht haben, weiß ich nicht. Ich selber war den restlichen Nachmittag ein wenig klarer und wacher als sonst. Bis zum ersten Joint am Abend. Verändert fürs Leben hat es mich auch: Ich finde seit dem Sauna unter 90° C zu kalt.

Peyote

Der Medizinmann macht in Montana auch Peyote-Rituale, legal als Mitglied der Native American Church. Die beiden fand ich auf einem Wochenmarkt, beide für 5 Euro, die Blumenhändlerin war nur einmal da. Angeblich produzieren sie unter unserer Sonne keinen Wirkstoff. Ich brachte sie durch den Winter, doch im Frühling starb der kleinere. Ich hoffe, er verzeiht mir.