Weltflucht ins Paradies – Bekifft im Freizeitbad Tropical Islands

Von Berlin zum Tropical Islands dauert es eine gute Stunde mit dem Auto. Auch der Fahrer kann also bei Fahrtantritt unbesorgt einen wohl portionierten Haschkeks* verspeisen. Der fängt dann genau rechtzeitig an zu wirken, wenn man auf dem Parkplatz ankommt. Denn an einem Samstag Morgen im Herbst muss man erst mal eine gute halbe Stunde draußen warten, bis man in die ehemalige Zeppelinhalle eingelassen wird. Jedenfalls als Tagesgast, wer Übernachtung gebucht hat, kann durch einen eigenen Eingang. Aber in der Warteschlange ist das Brandenburger Spätherbstwetter mit Haschkeks* im Blut deutlich angenehmer als ohne. Der wirkt zwar gute 6 Stunden und länger. Aber trotzdem haben wir zur Sicherheit nach Ankunft erst mal eine Runde Cocktails geholt. Denn echte Urlaubsstimmung ist es bekanntlich erst dann, wenn man vor dem Mittagläuten schon Alkohol im System hat. Ausserdem waren wir die ersten 45 Minuten in der Halle damit beschäftigt, eine freie Liege zu finden. Es gehört nämlich auch im Tropical Islands zum guten Ton, die Liegen durch ein Handtuch zu reservieren. Auch um 10 Uhr Morgens sind gefühlte 99,9 % besetzt. das Strandurlaubsgefühl ist in dieser Hinsicht also absolut authentisch. Vom Autoabschließen bis zum zurücklehnen auf der Liege können also gut 1,5 Stunden vergehen. Damit sollte man rechnen.

Tropical Islands was ist das nun?

Ein kleines Spaßbad mit großzügig drum herum drapiertem Freizeitpark? Oder eher ein großer Indoor-Freizeitpark in einer Halle mit Spaßbad und Rutschen als Teil des Angebots? Das althergebrachte Schubladendenken funktioniert hier nicht. Tropical Islands ist, was es ist.

Schwimmen geht hier nicht. Es gibt also kein tiefes Becken mit Bahnen, wo man Sport treiben kann. Die sogenannte Lagune, der große Pool an der veglasten Südwand, ist kaum tiefer als 1,30. Das Aussenbecken ist auch nicht tiefer. Da gibt es aber lustige Strömungen, als großer Fluss oder als kleiner, karusselartiger Wasserkreisel. Die machen auch den kleinen Nichtschwimmern viel Spaß. Die Rutschen sehen auch interessant aus, die haben wir aber nicht ausprobiert, da unsere Fünfjährigen sich dafür noch nicht interessieren.

Zuviel für einen Tag

Tatsächlich haben wir an einem Tag gefühlt nur die Hälfte der Angebote überhaupt ansehen können. Insgesamt bestand der Tag, wie so oft bei jungen Familien, aus schichtweise abwechselnder Kinderaufsicht an Pool oder Kletterparks, gefolgt vom wohligen Nichtstun auf der Liege. Hinter der großen Panoramascheibe mit Ausblick auf trübe Nadelwälder unter milchiger Sonne kann man sich fühlen wie eine Pflanze im Gewächshaus, bei angenehmer Raumtemperatur. In der Halle herrscht T-Shirt-Wetter ohne die aufdringliche Luftfeuchtigkeit der echten Tropen.

Dabei kann man sich ganz im frei zur Verfügung stehenden WLAN versenken, bei Tageslicht auch ein Buch lesen – nachts wird es überall weitgehend dunkel, die spärliche Straßenbeleuchtung eines richtigen tropischen Badeortes ist perfekt simuliert. Eine weitere bekiffte Strandbad-Beschäftigung in der Liege ist natürlich Leutegucken.

Die nivelliert-tättowierte Freizeitgesellschaft

Das ist immer ein Erlebnis zwischen Attraktion und Kulturschock, vor allem für westdeutsche Gymnasiasten, weitgehend isoliert und ohne Kontakt zu anderen Schichten aufgewachsen. Zwar leben wir schon lange genug in Berlin um unter den Zugewanderten als alteingesessen zu gelten. Aber das Erscheinungsbild der Berlin-Brandenburger, zumal bei massenhaftem Freizeitgenuss, ist immer noch leicht irritierend. Die Menschen hier sehen entweder aus wie Skinheads aus der Tagesschau der 90er, nur mit mehr Mustern und Metall im Gesicht. Oder wie Neuköllner Klankriminelle aus dem Bildungsfernsehen der 2010er, inzwischen auch vollintegriert gemustert und gepierced.

Nach dem ersten Kulturschock stellt man aber recht schnell fest, auch wenn die Leute aussehen wie Bilderbuch-Proleten einer Reality-Casting-Agentur, sie sind allesamt angenehm und freundlich. Ausserdem ist es grade im bekifften Zustand schön, Menschen anzusehen, denen ihr Aussehen wichtig ist. Wer das ganz genau wissen will, kann im großzügigen Saunabareich entspannt genießen. Aber viele Körper sehen tatsächlich ästhetischer aus, wenn gut sitzende Badebekleidung wichtige Partien in Form hält.

Selbstmitgebracht schmeckt am besten

Zudem verhalten sich die Gäste bei den Liegen alle sehr friedlich und leise. Jeder trinkt und isst schließlich mehr oder weniger heimlich selbst Mitgebrachtes und möchte dabei nicht gestört werden. Das Personal fängt keinen Streit an, solange man selber nicht damit anfängt, tut das auch sonst niemand. Denn alle hier, Gäste und Personal, wissen, Essen und Trinken sind nicht wirklich gut. Die Imbisse und Restaurants sind jetzt nicht überteuert, aber für die weniger als mittelmäßige Qualität noch zu teuer. Pommes sind matschig, Pizza schmeckt eher wie besonders trockene Exemplare aus dem heimischen Backofen. Die vier verschiedenen Cocktails, die wir probierten, waren alle recht ähnlich belanglos. Das ist aber jetzt kein Minuspunkt, denn Lebensmittel und Lieblingsdrogen können mitgebracht und mittelmäßig diskret verzehrt werden. Gut, das Haschisch sollte man ins Essen mischen, denn Rauchen in einer geschlossenen Halle ist echt asozial. Die gehobene Gastronomie haben wir nicht ausprobiert, bei einem Ausflug mit Kleinkindern macht das keinem der Beteiligten Spaß.

Im Tropical Islands kann man also wirklich echtes, friedliches Miteinander von im gemeinsamen Körperkult vereinigten Proletariern aller Länder erleben. Drinnen herrscht der Sozialismus als realexistierendes Tropenparadies mit Gleichheit und Freiheit von Winterkleidung und alles ohne Geld. Die Illusion wird aufrechterhalten, bis am Ausgang der Chip ausgelesen und das Verkonsumierte dann doch bezahlt werden muss.

Die Tochter fragt manchmal, ob wir demnächst mal im Tropical Island übernachten können. Tatsächlich wird ein Großteil der Fläche von Appartments oder weißen Zelten eingenommen. Wir möchten nun ehrlicherweise nicht so bald wieder hin. Aber wenn sie in dem Alter ist, wo sie Alkohol und knackiges Fleisch in Badeklamotten zu schätzen weiß, werden wir ihr bestimmt einen Ausflug spendieren und selber zu Hause dann das Teenagerfreie Wochenende genießen.

Rindvieh

Nicht alles, was wie ein Rindvieh aussieht, ist auch eins und der Esel ist immer der, der fragt-

*Natürlich wurde für den Erlebnisbad-Test kein echter Haschkeks verzehrt. Das Haschisch wurde für den Verzehr in Kokosfett gelöst und dann nicht verbacken sondern in Kapseln abgefüllt, so wie hier beschrieben. Das war dem Anlass absolut angemessen, denn die Zeppelinhalle, die das Tropical Islands beherbergt, sieht von außen aus, wie eine riesige Medikamentenkapsel, die ausversehen in den Brandenburger Kiefernwald gefallen und dort zur Hälfte im Boden versunken ist.