Sollten wir nur noch Whisky saufen?

Es ist also passiert. Wir haben zu viel Single Malt Whisky getrunken. Auch wenn wir lange versuchten, es zu vermeiden und es bis jetzt nicht wirklich richtig wahrhaben wollten. Als Folge sehen wir uns deshalb jetzt gezwungen, wieder eine Alkohol-Besprechung zu veröffentlichen. Also genau wie die Leute, die schöne Momente verderben, in dem sie laut rufen: Schau doch mal, wie schön! Nur halt eben schriftlich. Aber es geht leider nicht anders.

Single Malt ist ein Stoff, über den man sprechen muss. Jede Marke schmeckt so eindrucksvoll und dabei eigentümlich, dass die Suche nach Worten unwillkürlich fast vor dem ersten Schluck beginnt.

Natürlich ist das Drogenverherrlichung. Und sie ist notwendig, weil sie nichts anderes als die andere Seite der Wahrheit über den verfluchten Teufel Alkohol ist. Denn die Wahrheit ist, Schnäpse können etwas erzählen. Und alle, denen Erzählung ein Wert an sich ist, müssen das ernst nehmen. Es hört sich vielleicht etwas mystisch an, wenn eine Genussmittel angeblich etwas erzählen soll. Das ist aber kein großes Geheimnis, denn unsere Geschmackssensorik ist direkt mit dem Unterbewußtsein verbunden. Und fassgereifte Spirituosen erzeugen einen sehr starken und komplexen Reiz, ungewöhnliche Geschmäcker überfallen Zunge und Nase wie eine Wolke aus Erinnerungen und Bildern, die mit Worten gefasst werden will.

Es geht also tatsächlich nicht nur um den Alkohol, es geht um das, was in dem Alkohol gelöst wurde. Also Aromen von Malzröstung und von Fassholz, auf diverse Arten vorbehandelt, angebrannt oder vorher mit Sherry belegt. Wenn also Käse durch Schimmelpilze vorverdaute Milch ist, sind braune Schnäpse der konzentrierte Geschmack von Abfallholz. Die Wirkung besteht zu einem großen Teil in der Geschichte, die sich darin und dahinter verbirgt.

Schon die britischen Kelten verehrten bekanntlich gute Geschichten und wirksamen Alkohol. Ganz im Sinne dieser Tradition könnte modernes Marketing an den Quellen des schottischen Getreidebrandes erfunden worden sein. Schließlich haben sie dort auch Mode erfunden, die, freilich nur in Kombination mit harten Drogen, sogar rothaarige Menschen attraktiv und interessant erscheinen lässt. Sie haben also Ahnung vom ganz harten Stoff. Der nun lädt ein, die Werbelügen und Schönfärbereien zum Teil unserer eigenen Legende zu machen. Darauf dürfen wir dann nach erfolgreich geleerten Flaschen völlig zurecht stolz sein, denn Glückstreben durch Konsum ist schließlich unsere vorrangige Bürgerpflicht.

Was ist denn nun so besonders an schottischem Whisky?

Fachgeschäft und gehobenes Supermarktregal halten ja so einige Produkte bereit, um den feierabendlichen Überdruss am Familienleben zu betäuben oder das telemediale Unterhaltungsangebot sensitiv aufzuhübschen. Wir mögen da eben zur Zeit Scotch am liebsten. Rum ist auch beeindruckend, aber zu laut und aufdringlich. Brände aus Trauben sind etwas eingebildet, die Königinnen der Alkoholerzeugenden Früchte machen sich im Getränk aalglatt und irgendwie höflich distanziert. Trauben haben jede Menge zu erzählen, reden aber nicht einfach so mit jedem. Dann doch lieber bodenständige, britische Gerste.

Die Kunst, einen normalen Scotch Whisky zu einem Single Malt zu veredeln, ist eine uralte Tradition. Sie geht zurück auf das Wissen der Altvorderen aus dem Jahr 1963. Da entschlossen sich die mit Massenprodukten erfahrenen Schnapsweltmarktführer, ins Premium-Segment vorzustoßen. Denn im selben Jahr, als Adenauer und Kennedy von der politischen Bühne abtraten, war die wirtschaftswunderverwöhnte Nachkriegsgesellschaft reif für etwas besseres. Die Produktstrategen von Glenfiddich besannen sich auf den speziellen Chrakter der einzelnen Brennereien. Bislang hatte man die ruppigen Brände zu einem sanften Allerweltsprodukt gemischt, was dem Franzosen sein Cuvé ist dem Briten der Blend. Nachdem irgendwann Anfang des 19. Jahrhunderts der Ire Aeneas Coffey eine leistungsfähige Kolonnendestille konstruiert hatte, konnte man große Mengen Klaren von gleichbleibender Qualität erzeugen. Der diente als Basis um die recht eigenwilligen Produkte der Dorfdestillen in einem gemeinsamen Faß zu einem gemeinsamen Nenner zu verschmelzen und über das Empire weltweit zu vermarkten. Aber was hundert Jahre gut lief, langweilt die Konsumenten irgendwann, selbst wenn es eine suchtfördernde Rauschdroge ist. Also besann man sich in den 1960ern wieder auf die eigenwilligen Dorfbrennerein, die nur mit einer Sorte, meist ruppig gedarrtem Gerstenmalz arbeiteten und nannte das dann eben „Single Malt“, eine Malzsorte.

Gerstenmalz Barley Malt

Das hat sich gelohnt

Der Markt ist riesig, ein Einstieg im mittleren Preissegment macht durchaus Spaß. Bemerkenswerter Stoff ist schon zwischen 40 und 60 Euro pro Flasche zu haben. In kaum mehr als einem Jahr kann man sich groben Überblick darüber verschaffen, was durchschnittliche Kneipe und Duty Free an Angebot bereithalten. Die breite Masse werbeorientierter Laufkundschaft muss sich erstmal auch nur drei Herkunftsregionen merken. Das sind Highlands mit immer interessanten Tropfen von mild bis heftig, aus Speyside kommen die milden und süßen und Islay produziert meist starken Geschmack von Torf und Rauch.

Die Produktpalette weist gleichzeitig unkompliziert in die höheren Preissegmente. Wenn ein Whisky geschmeckt hat, bietet sich der nächstältere desselben Namens an, schnell können auch unerfahrene Laien ins Segment 100 Euro vorstoßen. Wenn das Internet merkt, dass man sich für so was interessiert, kriegt man Werbung für Stoff der dann 300 bis 500 kostet.

Wonach schmecken die nun?

Nach vielem. Aber von den ganzen Aromen, die im Internet und auf den Flaschenkartons stehen, haben wir bisher noch keines identifiziert. Beim ubiquitären Heidekraut wüssten wir gar nicht, wie das aussieht, geschweige denn riecht oder schmeckt. Die oft genannten Honig und Früchte waren in Spirituosen selten wirklich zu identifizieren. Das scheinen abber alles auch Fachbegriffe aus der Welt der Sommeliers zu sein. Ohne Vorbildung finden wir, ein Erlebnis von Landschaften beschreibt den Sinneseindruck eher. Vielleicht ein Gerstenkorn aus dem rauhen Norden, dass von einer Reise in Frankreichs schönste Weinberge träumt. Und zwar auf einer braunen Heidelandschaft, die ja anders riecht als saftig grüne Wiese, während gleichzeitig rauher Seewind grandiose Lichteffekte verursacht. Oder halt kübelweise Regen ins Gesicht pladdern lässt. Ein Land rauhbeiniger Seemänner eben, die nicht nur den dreiteiligen Anzug erfunden haben, sondern dazu den schweren, ledernen Clubsessel und darauf und darin den wortgewandten Anlagebetrüger.

John Powers Whiskey Glas

Berliner Stout Brand – der umständlichste Schnaps der Welt

Schnaps im Glas

Brewbaker macht endlich richtig harte Drogen mit ordentlich viel Alkohol drin. Zur Verkostung und zum Verkauf stand in der Brauerei ein Stout-Brand mit soliden 40 Umdrehungen. Aus hauseigenem Schwarzbier destilliert, wurde das Wässerchen dann einige Jahre auf Holz gelagert, sogar verschiedene Sorten sind im Angebot. Die Chefin kredenzte dem neugierigen Besucher die No. 3, „Dunkle Premium-Röstung“, diese erste Empfehlung war direkt ziemlich lecker und wanderte in den Einkaufskorb. Da erstanden wir also ein Fläschchen feinen, deutschen Kornbrand, durch Ausbau auf Holzspänen wurde daraus sogar so etwas wie ein richtiger Whisky. Das Getränk ist sehr edel und macht sich auch hübsch im Glas. Ein wirklich angenehmer Absacker, auch gut zum Wachwerden um 9 Uhr Abends, wenn ein Abgabetermin unangenehm nahe gerückt ist oder man seit einem Monat keine Blogbeiträge mehr veröffentlicht hat.

Über die subjektiven Eindrücke einer Spirituose könnte man nun viel reden, vom Lesen allein wird aber keiner betrunken und am Ende schmeckt es jedem anders. Konkrete Werte sind da viel interessanter. Der Tropfen hat nämlich einen nicht unerheblichen Makel, welcher dringend kommuniziert werden muss: Der Spaß ist unglaublich teuer. Eine Flasche ist nun mit 25 Euro durchaus bezahlbar und ein nettes Mitbringsel. Bis man dann realisiert, dass da nur ein Viertel Literchen drin ist. 100 Euro kostet der Liter, meine Herren, selbst hochwertige Spirituosen müssen sowas schon mit einem alten Namen, besonders getöntem Flaschenglas oder einer schicken Geschenkverpackung rechtfertigen.

Das ist echt ein Unfall, anders kann man das nicht nennen. Das streiten die Brauer auch gar nicht ab. Der Schnaps entstand nämlich äußerst umständlich. Es fing wohl an mit ein paar tausend Litern Stout, bestellt und nicht abgeholt. Da wollte jemand den St.-Patricks-Day feiern und hatte vergessen, Iren einzuladen. Kann ja mal passieren. Immerhin besser als bestellt, abgeholt und dann nicht bezahlt. Nachverhandeln ist der Euphemismus für solche betrieblichen Unglücke auf Manager-Sprech und die sind für Mittelgroßunternehmer immer ein schöner Grund, mit huldvoller Miene zu verkünden, dass es dieses Jahr wieder kein Weihnachtsgeld gibt. Was aber macht ein Kleinunternehmer mit einer mittelkleingroßen Menge nicht besonders haltbarem Schwarzbier? Vergammeln lassen? Ja, das geht. Das ergibt Essig, der ist sogar gar nicht schlecht. Aber jetzt auch kein Hammer, leider kein 1000jähriger Bio-Balsamico oder so, sondern halt einfach so ein normaler, milder Salat-Essig. Der trägt die Verluste nicht. Also haben sie das meiste Bier zu einer Schnapsbrenne gekarrt, den Brand auf Fässer mit Holzspänen gezogen und so lange da liegen gelassen, bis der Frust über den verunglückten Auftrag einigermaßen verflogen war.

Immerhin, nach nur drei Jahren auf dem Holz kann der Berliner Stout-Brand sogar mit einem richtigen Single Malt mithalten. Gegengetestet wurde ein Duty-Free-Impulskauf zu 60 Euro/Liter, der, laut Etikett seine 12 Jahre im richtigen Holzfass auf dem Buckel hatte. Und die nehmen sich beide nichts, da macht der dreijährige Berliner keine schlechte Figur. Beide haben noch eine leichte Schärfe, die kann man so lassen, damit es sich nach Schnaps anfühlt, die kann man aber auch mit einem Tropfen Wasser rundschleifen. Das Ergebnis ist ein weicher Brand, edel und nachhaltig in den Aromen, aber nicht aufdringlich. Ob das Schwarzbier durchschmeckt, weiß ich nicht. Ich kann das nicht erkennen und ein einfaches Maischen von Malz ohne das Brauen wäre bestimmt ein bißchen billiger gekommen. Andererseits, wenn man sich mal andere Produkte aus Kleinbrennereien ansieht, die kosten auch alle ähnlich viel und werden aus Rücksicht auf die Psyche der Kunden ebenfalls in kleinen Fläschchen unter die Leute gebracht. Da schlagen sich eben immer Arbeitsaufwand und vor allem die Steuern nieder. Der Staat will schließlich auch fleißig von unserem Rausch profitieren, irgendwer muss ja die Infrastruktur eines Hochlohnlandes ersaufen. Trinken also ist immer förderlich für den Staatshaushalt und wenn es dem Staat gut geht, geht es auch den Menschen gut. Wem das zu unpersönlich ist, der konsumiere bewusst, hochwertig in kleinen Mengen und folge dem Motto der Drogenpolitik: Unterstützt die Brauer und Brenner in Eurer Nachbarschaft!

Heimbrauen – Drogenkochen im Entsafter

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Schon vor Urzeiten ist ein verderblicher Drogenkult aus Babylonien und Ägypten zu uns nach Nordeuropa herübergeschwappt. Vergorener Gerstensud wird als sogenanntes Bier zu Rauschzwecken getrunken. Dabei ist die Droge wirkstoffarm und durch und durch minderwertig. Ursprünglich tranken die bittere Getreidebrühe nur solche Menschen, denen die Willenskraft fehlte, in einem Land mit gutem Wein geboren zu werden und die gleichzeitig charakterlich zu schwach waren, um sich mit richtigem Alkohol zu berauschen. Inzwischen hat Bier die gesamte Menschheit infiziert. Die Getränkeindustrie hat die Gesellschaft fest im Griff, Gesetze gegen das Rauschgift wird es nicht geben.

Wenigstens hat man sich darauf geeinigt, flächendeckend nur wässriges, aromafreies Bier unter die Leute zu bringen, um ihnen mit Langeweile auf lange Sicht den Geschmack daran zu verderben. Und tatsächlich ging der Bierkonsum allenthalben zurück. Das wird jedoch hinterhältig unterlaufen, weil sich, unbeachtet von der breiteren Öffentlichkeit, einige finstere Verschwörer zusammengetan haben, um die Menschheit mit wohlschmeckendem Selbstgebrautem wieder in den Bierwahnsinn zu treiben.

Die drogenpolitik konnte nun exklusiv ein paar Drogenköche beobachten, die völlig ungeniert in der Nachbarschaft Bier selber machen.

Es ist nämlich erschreckend einfach, Bier herzustellen

Grundstoff ist Getreide, mit Vorliebe spelzenreiche Gerste. Der Alkoholkoch will an den Zucker in der Pflanze. Dazu läßt er sie erst keimen und tötet die jungen Sämlinge sofort wieder. Brutal langsam mit trockener Wärme entzieht er den Körnern allen Lebenssaft. So entsteht das sogenannte Malz. Aus diesem wird dann Zucker herausgekocht. Eigentlich enthält Getreide nicht viel Zucker, sondern Stärke, das sind zu langen Ketten gebundene Zuckermoleküle. Nun besitzen die Keimlinge Verdauungsenzyme, welche die Stärkeketten zu kurzen Zuckermolekülen zerschneiden können. Diese, so fanden schon die Orientalen heraus, arbeiten bei 60 bis 70 Grad Celsius am gründlichsten. In heißem Wasser also wird die Pflanzenstärke zu Zucker.

Üblicherweise verwenden private Drogenköche dazu einfachste Mittel, wie Marmeladeneinkochtöpfe. Man kann sich vorstellen, wie lange es dann dauert, bis 25 Liter Wasser auf Temperatur sind. Dann sitzen die Leute also untätig vor ihrem Einkochtopf oder Schöpfen mit dem Wasserkocher die Pötte voll. Wenn es dann die perfekte Temperatur hat, kommt geschrotetes Malz in den Kessel. Je nach Rezept etwas 5 Kilo auf 25 Liter Wasser, mal mehr, mal weniger. Ganz akribische heizen nach einer halben Stunde noch mal nach, bei 70 Grad arbeiten andere Enzyme. Die gierigen Brauer prüfen schließlich mit Jod, ob sich noch Stärke im Sud befindet. Wenn kein Farbumschlag eintritt, müssen die ausgelaugten Getreidereste von dem Zuckerwasser getrennt werden.

Läuterbottich

Als Läuterbottich eignet sich ein Plastikeimer mit doppeltem Siebboden. Da setzt sich die ausgelaugte Gerste ab und dient als Filter, geläuterte Würze fließt langsam durch den Hahn in den Einkochtopf. Damit wenig Hitze verlorengeht, hat der Brauer beide mit isolierendem Material umwickelt. Wer es sich einfach machen willen, kann aber auch auf so eine Apparatur verzichten und sein Malz in einem Filtersack auskochen. Das Ergebnis schmeckte auch gut.

In Deutschland wurde mal ein Drogengesetz erlassen

Mit dem wollte man im 16 Jahrhundert den teuren Brotweizen schützen. Stattdessen durfte nur die minderwertige Gerste zum kommerziellen Drogenkochen herangezogen werden. Die harten, unverdaulichen Schalen – der Ernährungseuphemiker spricht gern von Ballaststoffen – nun machen, daß Gerstenmalzbrei schön verklumpt. auf ein Gefäß mit Siebboden geschüttet ergibt das Pflanzenmaterial einen ordentlichen Filter. Darüber gießt man den Getreidesud ab, die sogenannte Läuterung. Das erfordert Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Wenn es gut funktioniert, werden Schwebstoffe herausgefiltert, damit das Getränk hinterher verführerisch klar glitzert. Die Kunst ist, daß es langsam genug durchläuft, aber nicht verstopft. Am Ende wird noch mal warmes Wasser darübergegossen, um allen Zucker herauszuspülen. Den Treber kann das Vieh fressen. Die geklärte Zuckerlösung heißt jetzt Würze, wahrscheinlich nennen die Bierköche das so, um ihr Treiben zu tarnen.

Hopfenhaschisch

Echte Hopfenblüten verwendet kaum noch jemand. Leicht dosierbar und platzsparend sind solche genormten Pellets aus gepresstem, bitterstoffreichem Pflanzenmaterial. Sozusagen das Hopfen-Haschisch.

Nun muss die Zuckerplörre, Pardon: Würze, aufkochen. Und zwar eine Stunde lang, zusammen mit Bitterkräutern. Theoretisch könnte man dazu nehmen, was Wald und Wiese hergibt. Es gilt jedoch das ungeschriebene Gesetz, sich hier auf die Hopfenpflanze zu verlassen.

Den Rest vom Bierkochen weiß ich nur vom Hörensagen, denn bis hierhin kann das gern mal vier Stunden dauern und ich hatte bisher noch keine Lust, mir das dann zu Ende anzusehen. Wenn’s also gekocht hat, ist es endlich Zeit für die alchemistische Alkoholumwandlung. Dazu kommen Hefen hinein, die heißen auch passenderweise Saccharomyces cerevisiae, also Bierhefe. Die Tatsache, daß der Liebe Gott diese Einzeller so getauft hat, halten die Bierkocher dann tatsächlich für einen Beweis der Rechtmäßigkeit ihres Tuns. Die Hefen mögen es aber nicht so heiß. Die kochend heiße Würze soll jetzt möglichst schnell wieder kalt werden.

Jungbier

Fertig vergorenes Jungbier kann jetzt in Flaschen abgefüllt werden, um zu reifen.

Früher machte man das in großen, offenen Bottichen

Hat die Flüssigkeit eine große Oberfläche, kann mehr Hitze schneller entfleuchen. Dazu gehörte dann ein Gebet und Vertrauen in die hauseigenen Pilzstämme, daß sich die Würze keine falschen Bakterien fängt und verdirbt. Das geht natürlich mit überhaupt keinen Hygieneverordnungen konform. Deshalb kühlt man heute möglichst schnell mit geeigneten Apparaten, etwa Gegenstromkühlern. Wer keinen hat, stellt es in verschlossener Gärflasche in einen kühlen Raum und hofft und wartet. Bei etwa 20 Grad können die obergärigen Hefen dann loslegen, möglichst in einem Keller, vor Temperaturschwankungen und mißgünstigen Blicken geschützt, blubbert es gut zwei Wochen lang vor sich hin. Was dann beim anschließende, mehrwöchigen Reifen in Flaschen passiert, will ich eigentlich gar nicht so genau wissen.

Gegenstromer

Wer es besonders ernst meint und es mit seinen MitbewohnerInnen vereinbaren kann, schafft sich Heimbraukessel an und baut sich einen Gegenstromkühler, hier ein Gartenschlauch über eine mehrere Meter lange Kupferrohrspirale gezogen. Foto: Berliner Schnauze Homebrewing

Denn die private Bierherstellung läuft allen Prinzipien von Vernunft und Aufklärung zuwider. Wir wollen schließlich eine moderne Gesellschaft sein, in der alles arbeitsteilig hergestellt wird. Niemand soll und will je die volle Kontrolle über die Alltagsdinge erlangen. Das Fundament unserer Zivilisation sind schließlich komplexe Herstellungsprozesse, die ein einzelner nicht zu überblicken hat.

Wo wird das noch hinführen? Wer heute sein eigenes Bier braut, wird morgen womöglich selbständig denken und übermorgen sein Mittagessen selber kochen!

Wheat Ale

Dieses appetitlich aussehende, komplett selbstgebastelte Bier schmeckte würzig und machte gute Laune.

Wir danken den eifrigen Aktivisten von Eumel Braeu Berlin im Himmelbeet und Berliner Schnauze Homebrewing, ohne die der Artikel nicht möglich gewesen wäre.