Chinesische Teezeremonie, ganz profan

Mal wieder möchte von meiner neuen Lieblingsdroge berichten, Grüntee und Oolong nach chinesischer Methode zubereitet. Keine Sorge, ich bin dem Nervengift noch nicht verfallen. Höchstens ein- oder zweimal die Woche gönne ich mir diesen besonderen Genuß. Und der Espresso am Morgen hat immer noch Vorrang. Trotzdem muss ich gleich zu Anfang eine deutliche Warnung aussprechen und Euch bitten, die jetzt beschriebenen Handlungen bloß nicht nachzumachen. Denn die Teezeremonie wird von mir äußerst dilettantisch und unsachgemäß ausgeführt. Eigentlich sollte sie nur von echten Teemeistern beigebracht werden. Aber auch davon raten wir dringend ab, denn sie führt zu suchtartiger Verschwendung teuren Tees und darüber hinaus zu Sammelwahn nach immer teurerem Teegeschirr. Was wiederum direkt zum Drang nach passenden Möbeln und einer größeren Wohnung führt.
Die chinesische Teezeremonie ist, wie eigentlich jede Teezeremonie, nur eine besonders aufwändige und umständliche Form der Zubereitung. Die chinesische Version würde ich da am ehesten mit  einer Weinprobe vergleichen. Es geht um Angeberei hinsichtlich der Teequalität, das Wissen darum und dem geschickten Umgang mit dem Geschirr. Außerdem kann man mit dem komplizierten Verfahren tatsächlich ein Maximum an Geschmack und Wirkstoff aus Teeblättern brühen. Das war es im Prinzip. Jetzt braucht man bloß noch die Charakteristik eines jeden Tees zu kennen und diesen dann in einer jeweils eigenen Tonkanne brühen und in jeweils dem Anlass und dem Tee angemessenen Porzellangeschirr auszuschenken. Ach ja, ein Teetisch ist ebenfalls Pflicht. Das ist eine Art Tablett mit doppeltem Boden und einer Auffangschale, denn beim Aufbrühen muss das Wasser großzügig überschwappen.

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Kanne, Sieb und Pitcher braucht es für einen schönen chinesischen Tee. Wann man abgießen muss, ist Erfahrungssache.

Hab‘ ich alles nicht. Bei mir gibt es ein weiße, emaillierte Kanne, die Beschichtung nimmt keinen Geschmack auf und eignet sich daher  für die verschiedensten Tees. Zelebrieren tu ich das auf einem Teller im Stehen in einer Ecke in der Küche, serviert in Espressogläsern.
Das ganze Verfahren ist schnell erklärt, aber extrem lang gelernt: Viel Tee wird in einer winzigen Puppenstubenkanne kurz aufgegossen, dann in einen Pitcher, also eine Verteilkanne, gefüllt und aus dieser auf die Tassen der Gäste verteilt. Es finden drei bis sechs und mehr Aufgüsse statt, bis alles Koffein und alle Geschmacksnuancen fachmännisch aus den Blättern gespült sind. Jetzt muss man nur noch die Ziehzeiten und Wassertemperaturen beherrschen.

Denn chinesischer Tee soll in der Regel nicht bitter schmecken. Wenn er es doch tut, war er zu lange im Wasser. Um das gewünschte Aroma zu beschreiben, werden gern Worte bemüht wie blumig , grasig oder fruchtig. Ich würde eher sagen, je weniger Eigengeschmack der Aufguss hat, desto besser. Ein guter Grüntee ist heißes Wasser, das intensiv voll und weich schmeckt. Am ehesten ist das Erlebnis für mich noch vergleichbar mit einer guten, klaren Brühe, die ja selbst auch nach nichts schmecken soll, aber alles andere besser macht.
Auch chinesische Schwarztees sind vergleichsweise mild. Sie haben zwar deutliches Röstaroma, aber ätherisch, ohne jede Bitterkeit. Dann gibt es noch meinen Lieblingstee, den halbfermentierten Ooolong, der beides vereint, das leichte blumige eines Grüntees und das zu Vanillehauch verdünnte Röstaroma des durchfermentierten Blattes.

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Oolong ist immer gerollt, links kleinere Halbkugeln, rechts das volle Format.

Die Zubereitung von Oolong ist relativ einfach. Je besser der Tee, desto mehr Fehler verzeiht er, schlechte Qualität verlangt mehr Präzision, da leichter Bitterkeit und krautige Schärfe hervortritt. Die zu festen Kugeln gerollten Blätter werden in der Regel zuerst mit kochendem Wasser übergossen, das wird aber sofort wieder abgegossen, meist um das Geschirr zu Wärmen. Dieser erste Schritt heißt ‚den Tee waschen‘. Das hat aber nichts mit Schmutz zu tun, sondern dient dazu, das Entfalten der Kugeln anzustoßen. Sobald sich die Blätter vollständig  entfaltet haben, gilt der Oolong als ausgelaugt. Umgekehrt kann man also mehr Aufgüsse machen, wenn man die Kanne vollpackt, daß die Blätter kaum Platz haben. Die ersten Aufgüsse sollten 20 bis dreißig Sekunden Ziehzeit nicht überschreiten, ab dem vierten Aufguss kann man den Tee auch mal in der Kanne vergessen, er schmeckt dann immer noch gut.

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Wenn der Oolong sich komplett entfaltet hat, ist aller Geschmack raus.

Grüner Blattee ist da für mich schwieriger. Die Blätter lassen sich nicht so leicht dosieren, wie die Ooolong-Kugeln, die einfach mit dem Teelöffel abzumessen sind. Außerdem verlangt Grüntee kälteres Wasser als Oolong, welcher mit nominell 90 bis 95°C , sehr dankbar einfach mit nicht mehr kochendem Wasser immer gut wird. Grüntee dagegen will 70 bis 80°, was ohne Thermometer nicht sehr gut zu schätzen ist. Ich warte meist nach dem Kochen eine Weile, dann wärme ich mit dem Wasser erst die Kannen vor und benutze es dann. Schließlich lösen sich aus Grüntee auch nach mehreren Aufgüssen noch Bitterstoffe, wenn er zu lange zieht, die Ziehzeit aber verlängert sich mit jedem Aufguss nur um ein paar Sekunden.

Es ist also ein anspruchsvoller Sport. Für mich habe nur folgende Regeln formuliert: Generell immer mehr Tee als man denkt und kürzer ziehen lassen, als man meint. Die zwanzig Sekunden bemisst man gut mit zwei tiefen Atemzügen.

Leckeren Tee und die weiße Kanne gibt es zum Beispiel beim Hamburger Teespeicher
Mehr über die Teezeremonie und besondere Tees kann man bei der deutschen Teemeisterin Elisa auf Oolonglong lesen, welcher ich hiermit für kompetente Beratung ganz herzlich danke. 

Teestunde und Drogenkrieg

Zarter TriebSehr viele Menschen auf der Welt nehmen tagtäglich eine recht wirksames Aufputschmittel, viele von uns sogar schon zum Frühstück. Die Substanz macht wach und konzentriert. Sie blockiert nämlich im Zentralnervensystem Adenosinrezeptoren, welche üblicherweise die Nerven nach getaner Arbeit beruhigen, unter dem Drogeneinfluß funken die Nerven aber munter weiter. Da man bisher noch keine schweren Gesundheitsschäden mit der Droge in Zusammenhang bringen kann und der weltweite Handel ein Riesengeschäft für alle Beteiligten ist, unterliegt sie keinerlei Beschränkungen und wird unbedarft von jung und alt, gesund oder bettlägrig, konsumiert.

 

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Coffein, ein hübsches Purinmolekül mit den CH3-Gruppen, die dafür sorgen, daß Drogen schnell ins Gehirn einsickern. (Bild: Wikipedia)

Die Rede ist von Coffein, dem Wirkstoff von Kaffee und Tee und einigen anderen Pflanzen. Theoretisch macht es sogar abhängig, man kann Entzugserscheinungen kriegen und entwickelt bei Dauerkonsum Toleranz, genau wie bei richtigen Suchtmitteln. Das mach aber nichts, denn … Coffein ist preisgünstig und legal verfügbar und das weltweit am häufigsten konsumierte Stimulans. So lehrt es uns Wikipedia. Bemerkenswert ist vor allem die Ambivalente Haltung in Deutschland, wo man Kindern oft Kaffee als Nervengift verweigert, die lieben Kleinen aber aus Unwissenheit bedenkenlos Tee trinken durften und heute in jedem Supermarkt Koffeinbomben in Energydrinks kaufen dürfen.

Ausrüstung

Service für eine chinesische Teezeremonie. Dabei werden in einer winzigen Kanne sehr viel Teeblätter gebrüht, ein Aufguß zieht nur eine halbe Minute, dafür wird bis zu sieben Mal aufgegossen. Danach kribbelt es schon mal unter der Schädeldecke.

Um unser aller Coffeinkonsum zu erklären, müßte man jetzt für Kontinentaleuropa die Geschichte des Kaffees erzählen. Die ist aber sehr kompliziert, beginnt bei jemenitischen Ziegenhirten, geht über die mannigfachen Europäisch-Türkischen Beziehungen vom belagerten Wien bis zu ominösen Verträgen mit der EU. Aber für einen Geschichtenerzähler ist die Drogenkarriere des koffeinisierten Abendlandes sehr viel einfacher und runder aus Sicht des englischen Teetrinkers. Die ist hierzulande wenig bekannt und beachtet, was wohl auch daran liegt, daß die Engländer in einem anderen Universum leben. Da können sie mit der Geschichte der Volksdroge Tee mal eben Aufklärung, Finanzkapitalismus und Kolonisierung der Welt in einem Rundumschlag abfrühstücken. Das geht dann so:

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Adenin, beliebt in allen Zellen als Teilnehmer der DNA und als Botenstoff. Es sieht fast so aus wie Coffein, nur ohne CH3-Gruppen.

Bis in die graue Neuzeit war der Durchschnittseuropäer kontinuierlich betrunken. Keimfrei abgekochtes Wasser war nur als Bier verfügbar und alle hatten ständig einen im Tee, König wie Bettelmann, von der Wiege bis zur Bahre. Kurz nach 1600 dann purzelten die ersten Teekisten von niederländischen Asienseglern, zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich Tee in der Oberschicht von Nordwesteuropa etabliert. Ungefähr zu dem Zeitpunkt fing mit wissenschaftlichem Denken ein tiefgreifender Bewußtseinswandel an. Ob der nun mit dem Wechsel vom Alkohol zum Koffein zu tun hat, mag ein historischer Zufall sein. Völlig abwegig ist der Gedanke aber nicht. Ernüchterte englische Teehändler jedenfalls begannen Drogenhandel in richtig großem Stil. Sie verdrängten die Holländer aus dem Asienhandel. Zur Finanzierung der teuren und riskanten Teekonvois entwickelten sie moderne Risikokapitalgesellschaften. Die profitable Seefahrt wiederum führte direkt zur Eroberung eines Weltreiches. Dem widersetzte sich einzig China, welches leider auch das Monopol auf Teeproduktion hatte. China war lange ein isolationistisches Riesenreich mit großer Antieinwanderermauer und dem erklärten Unwillen, von Ausländern Dinge zu kaufen. Die Engländer bezahlten hundert und mehr Jahre lang gutes Silber für Teeblätter und konnten im Gegenzug nichts nach China verkaufen. Eine Situation, als ob Amerikaner für Dollars Kokain kauften, aber die Dollars nicht durch Waffenexporte nach Mexiko zurückholen könnten. Eine unhaltbare Ungerechtigkeit, die natürlich mit Waffengewalt bereinigt werden mußte. Es kam zum Opiumkrieg, dem ersten richtigen Drogenkrieg der Geschichte.

Der Dealer

Die Teezeremonie, hier bei einem Teehändler, dient weniger der Meditation als der Verkostung des Tees, ähnlich wie eine Weinprobe. Nach der kurzen Ziehzeit kommt der Tee in den Pitcher. Bevor er in die Trinkschüsselchen kommt, wird er erst kurz in hohe Becherchen gegossen, die einzig dazu dienen, die Qualität des Krautes zu riechen.

In diesem Zusammenhang finde ich die lexikalische Bewertung der Substanzen sehr interessant: Im deutschen Wikipediaartikel über Tee wird Opium kein einziges Mal erwähnt, im Artikel über den Opiumkrieg wird dagegen das durch Tee erzeugte Außenhandelsdefizit gegenüber China als wichtige Ursache angegeben. Die englische Handelskompanie nämlich entdeckte, daß sie sich das Silber mit indischem Opium zurückholen konnte. Als Rauchstoff erfreute sich das Schmerzmittel in China größter Beliebtheit, sowohl bei unterernährten Arbeitern als auch bei der gelangweilten Beamtenschaft. Als die chinesische Verwaltung den Handel eindämmen wollte, reagierte die Handelskompanie, wie sich das für Drogenkartelle gehört: Man ballert die Nachbarschaft zu Klump, bis die Revierverhältnisse geklärt sind. In ihrem selbstzufriedenen Gefühl kultureller Überlegenheit hatten die Chinesen Verwaltung und Militär ziemlich verkommen lassen. So hatten sie den englischen Kanonenbooten, bemannt mit volltrunkenen Analphabeten und geführt von ehrgeizigen, teetrinkenden Offizieren, nichts entgegenzusetzen. Es ist natürlich wieder nur ein böser Zufall, daß der Krieg begann, kurz nachdem 1834 auch in Indien Tee angebaut werden konnte und damit das Teemonopol Chinas gefallen war.

  • Wer das alles nicht glaubt, der kann diese Drogengeschichte nachlesen bei Henry Hobhouse: Fünf Pflanzen verändern die Welt. Da werden die europäischen Eroberungen, die Geldströme und Migrationsbewegungen der letzten 500 Jahre flott erzählt anhand wirtschaftlich wichtiger Pflanzen aus den Kolonien. Beginnend mit Chinarinde, Zuckerrohr, dem hier beschriebenen Tee, Baumwolle und Kartoffel. Inzwischen hat Herr Hobhouse in neueren Ausgaben noch den Kokastrauch ergänzt. Das steht dann wieder auf meiner drogenpolitischen Leseliste. Hier geht zum englischen Artikel über „Seeds of Change“, das ist die deutsche ISBN-13:978-3423300520
  • Wer sich für chinesischen Tee als Genußmittel ganz ohne Drogenpolitik interessiert, sollte sich mal den Blog dieser deutschen Teemeisterin ansehen.

Duftig einen im Tee – Dank Arabella

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Unversehens nahm mich Arabella auf ihre Liste für Bloggertee. Da erhalten virtuell befreundete Menschen von der eifrigen Gärtnerin zur Adventszeit richtig realen, selbstgesammelten Kräutertee. Der ist gut, bekömmlich und lecker. Zum Dank widme ich ihrem Tee den letzten Artikel des Jahres mit vielen Links zu Arabellas schönem Gartenblog. Das paßt auch richtig gut zu meinem themengebundenen Blog, denn das Wort Droge bedeutet ja ursprünglich zum Verzehr getrocknetes Pflanzenmaterial.

Dann wollte ich schon lange die Geschichte vom chinesischen Tee erzählen, der uns Europäer nüchtern machte und zur Welteroberung und Gründung von Risikokapitalgesellschaften befähigte. Und den ersten Drogenkrieg der Geschichte entfachte, weil England sein durch Tee verursachtes Außenhandelsdefizit mit Opiumverkauf ausglich. Allerdings handelt die Geschichte nur von besser gestellten Europäern, die vor dem Tee ausschließlich Bier tranken und Alkohol für den einzig wirksamen Infektionsschutz hielten. Aber nicht jeder konnte sich unbegrenzt Bier leisten und erst recht keine Ärzte, die teure Tinkturen verschrieben. Das einfache Volk wird schon immer die heimischen Kräuter zu Heilung und Genuss verkocht haben. Also erzähle ich ein andermal vom importierten Tee und widme mich heute der Kräutermischung.

Es handelt sich um einen sogenannten Haustee, eine Mischung für den täglichen Gebrauch, mit viel Brombeerblättern als Füllstoff und wenig Heilkräutern, der deshalb bedenkenlos täglich eingenommen werden kann. Denn auch Naturmedizin ist nicht immer sanft und sollte nicht ohne Not überdosiert sein. Aber hier habe ich ein richtig gutes Genußmittel von dem ich wirklich aufs angenehmste überrascht bin. Ich hatte so meine Vorurteile gegenüber Kräutertees. Die meisten sind einzeln aufgegossen nämlich ziemlich dünn, während in der Nase ein Aroma penetrant dominiert. Paradebeispiel sind Kamillenteebeutel, mit denen gern wehrlose, kranke Kinder gequält werden. Arabella aber hat die Kräuter fein aufeinander abgestimmt. Im Geschmack dominieren Minze und Kamille. Die anderen Kräuter runden den Tee ab, bilden ein unaufdringliches, grasiges Bett, das eigentlich nur ein gutes Mundgefühl vermittelt. Tatsächlich so, wie ich das von hochwertigen grünen oder weißen Tees kenne, heißes Wasser, das angenehm schmeckt. Eine Wirkung ist auch zu spüren, den Kreislauf beruhigend und den Verstand klärend. Der Kräutersud macht ein wenig nüchtern, aber nicht so kribbelig, wie koffeinhaltige Getränke.

Natürlich inhaliere ich die Mischung auch in meinem elektrischen Kräuterverdampfer. Da ist sie nicht sehr ergiebig, erst auf höchster Stufe, nominell 200° C, kommt etwas spürbarer Dampf. Der schmeckt hauptsächlich nach den vielen ätherischen Ölen der Minze. Auffallend ist eine samtig angenehme und beruhigende Wirkung im Rachen, wohltuend wie ein Hustenbonbon. Da lassen wohl nicht nur die Minzsorten, sondern auch das Lungenkraut Heilkräfte walten. Nach der dritten Ladung spürte ich sogar eine kurze, kleine Realitätsverschiebung, ähnlich wie bei Salvia Divinorum. Vielleicht helfen die Brombeerblätter wirklich, verborgenes zu sehen und Hexen zu entdecken. Es könnte auch der Hanf vom Vortag gewesen sein. Eine Rauschwirkung brachte die Inhalation nämlich nicht. Aber ich möchte mich schon nach der Wirkung einzelner Kräutern der Volksmedizin erkundigen. Zur Hustenbehandlung scheint mir der Vaporizer nämlich viel praktischer als das altertümlich Dampfbad mit Handtuch überm Kopf.