Hängenbleiben auf LSD

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Im folgenden ein stark gekürzter Auszug aus:
LSD-Trip in die Ewigkeit – Gedanken eines Hängengebliebenen von Crys Talix.
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Damals legte ich in meinem Kopf den Grundstein für ein Leben am Rande des Wahnsinns

Man kann wohl nicht einfach in der Jugend unendlich viele psychedelische Reisen unternehmen und später dann ein normales Leben führen. Das funktioniert gut, wenn man in Maßen konsumiert und achtsam mit sich ist. Dieses ganze Leben ging erstaunlich lange gut. Aber klar, ich war jung und da kann man schon einiges aushalten. Nach so vielen Monaten des Exzesses kommt aber irgendwie auch die Erkenntnis, dass man genug davon hat, dass die Nerven überbelastet sind. Ich hatte unzählige Male Pilze, Ecstasy und LSD genommen, die Nächte durchgemacht, ständig dazu gekifft. Und ich war immer eine treibende Kraft, habe die anderen Freunde dazu animiert, auch was zu nehmen und auf das Normalsein zu pfeifen. Ich habe beeindruckende Sachen erlebt und mich in komplett anderen Sphären aufgehalten. Ich habe immer weiter versucht, mich in das Universum hineinzudenken und mir auf Pilzen stundenlang den Kopf zerbrochen, wie das Leben denn nun funktioniert. Ich habe täglich mehr als 25 Köpfe (Portionen) Haschisch geraucht und dazu noch Zigaretten und habe kaum noch gegessen – und wenn, dann nur ungesundes Zeug. Ich habe nachts aus dem Fenster gewinkt, da ich vermutete, dort sei die Polizei und beobachtet mich. Oft war ich auf Partys, die mehrere Tage gingen, und während man feierte, wurde es plötzlich dunkel. Das bemerkte man zwar, jedoch war einem gar nicht klar, welcher Tag nun war, wie lange man schon auf der Party war oder das wie vielte Mal es jetzt dunkel wurde. Es wurde dunkel, das war klar, aber man konnte es nicht zuordnen. Und irgendwann wurde es wieder hell – das war sinnbildlich dafür, wie sehr ich aus dem normalen Rhythmus des Lebens ausgestiegen war. Ich hatte den Kompass verloren, die Richtung war nicht mehr klar. So wie ich auf den Partys nicht kapierte, warum es jetzt dunkel wurde und welcher Tag nun gerade anbricht oder endet, so konnte ich in meinem Kopf nicht mehr deuten, was ich eigentlich fühlte. Von außen kamen die besorgten Mitmenschen, aus meinem Blut kamen die künstlichen Glücksgefühle in mein Gehirn und mein Denken hatte ich über die Jahre so stark in eine psychedelische Richtung gelenkt, dass der Crash kommen musste. Und er kam – mit voller Wucht.
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Therapie?

Ein Schock für mich, aber es war der einzige Weg, mein psychedelisches Leben wieder in die Gesellschaft einzufügen. Am nächsten Morgen, bereits um 9 Uhr begab ich mich in die Sprechstunde zu meinem Hausarzt: „Sie schaffen dass, ich bin mir da ganz sicher bei Ihnen!“, sagte er. Der Arzt leitete die nötigen Schritte ein, um für mich einen Therapieplatz zu bekommen.
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Ich fiel in eine Art LSD-Halbschlaf und merkte, wie sich der Trip fest in meine Denkweise einbrannte. Ich hatte keine Schmerzen oder dergleichen, aber ich spürte, dass etwas nicht normal ablief, wie ich es in den unzähligen anderen Trips erlebt hatte. Alle meine Freundschaften, meine gehobene Position, all das sollte ich hinter mir lassen und einen Neustart machen. Ich war ehrlich gesagt überfordert mit der Situation. Und dann war da aber noch das Glücksgefühl, das zwar durch das Kiffen unterdrückt wurde, aber ich spürte, dass irgendwas in meinem Gehirn vor sich ging, etwas Mächtiges wollte nach oben. Dass es der Trip war, der mit aller Kraft und voller Wucht dauerhaftmein zukünftiges Leben bestimmen würde, konnte ich damals nicht ahnen.
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Ich fühlte mich zu gut, viel zu gut

Langsam verlor ich den Bezug zur Realität. Ich war mir sicher, dass alle Ärzte und Leiter der Klinik auf Kokain waren. In diesen Tagen war ein Fest direkt vor der Klinik und eine Band spielte den Song „Cocaine“ von Eric Clapton . Mir wurde klar, dass wir hier in Frankfurt waren und dies ein Drogenzentrum war. Ich dachte, dass die ganze Situation in der Klinik und überhaupt auf der Welt für mich gemacht wäre. Alle Leute, die ich dort traf, waren nur wegen mir hier. Viele, verschiedene Leute, die alle nur  hier waren, um mich auszubilden zu einem Superheiler. Ich war mir sicher, dass ich bald von der Klinikleitung aufgenommen würde, um als Psychologe in der Klinik zu arbeiten. Ich würde dann natürlich eingeweiht werden in den Kreis der Klinikleitung und dürfte auch täglich auf Kokain arbeiten, wie alle anderen Therapeuten. Eine Mitpatientin hielt ich für meine zukünftige Ehefrau. Ich lief voller Euphorie durch die Klinik, habe durch lange Gespräche mit anderen Patienten immer gedacht, ich könnte andere Leute heilen.
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Ich kann aus heutiger Sicht diese psychosenahen Gedanken noch nachfühlen, es ist aber fast unmöglich, sie einem normal denkenden Menschen zu vermitteln. Ich bin mir aber immer noch sicher, dass ich in diesen Momenten einen kleinen Einblick in göttliche Sphären bekommen habe.
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Ich hatte einige Besprechungen mit verschiedenen Ärzten und wurde ständig ermutigt, meinen Drogenkonsum zuzugeben, dabei hatte ich nichts genommen. Mir wurde später klar, dass der letzte Trip, den ich genommen hatte, hier wieder mit voller Wucht zurück in mein Bewusstsein kam. Ich hatte ja bereits sofort am Tag nach dem Trip dieses Glücksgefühl, das immer stärker wurde. Heute weiß ich, dass ich auf diesem Trip hängengeblieben bin, der mein Abschied aus dem Drogenleben hätte sein sollen. Es waren zu diesem Zeitpunkt etwa fünf Wochen vergangen, seit ich den Trip genommen hatte.
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„Die Interaktion zum jungen, stets freundlichen, jedoch eher passiv und meist wenig emotional berührt erscheinenden Patienten war insbesondere geprägt durch das Auftreten unerwarteter und bizarrer Geschehnisse im Behandlungsverlauf, die bis zuletzt auch für uns nicht klar einzuordnen waren.“ „Innerhalb von zwei Wochen schien sein Stimmungszustand nicht mehr nur subeuphorisch, sondern ins präpsychotische gehend. Innere Anspannung sowie einer Art Wahnstimmung mit Ich-Störungen (dass etwas vorgehe um ihn; er sich verändert fühle), bizarre Denkinhalte und ansatzweise Größenideen (dass sich nun alles füge, er Klarheit über alles habe, auch wisse, was in anderen Mitpatienten vorgehe, und er das gelungene Experiment seiner Eltern darstelle).Daraufhin erfolgte ein erstes psychiatrisches Konsilium beim Leitenden Arzt und eine Medikation wurde verabreicht. Nachdem es bereits am Folgetag zu einer deutlichen Stabilisierung und Distanzierung des Patienten vom psychotischen Erleben gekommen war, entstand unsererseits der Verdacht auf Substanzkonsum, obwohl sämtliche Screenings negativ waren.“ „Nach dem vom Patienten gewünschten Absetzen der bislang verabreichten Medikation kam es zur Stimmungsverschlechterung, wobei er panikartige Zustände beschrieb, insbesondere die Befürchtung‚ psychotisch‘ zu werden. Er schilderte ständig neue Befürchtungen: auf Drogen hängengeblieben zu sein; einen Hirnschaden zu haben; seine Hirnstrukturen durch LSD verätzt zu haben. Damit einhergehend beklagte er weitere Antriebs- und Hoffnungslosigkeit bis hin zu Suizidgedanken, da eh alles zu spät sei; er nicht mehr lebensfähig sei. Interpersoneller Kontakt und Realitätsbezug waren jedoch stets gut herstellbar und er zeigte sich absprachefähig.“
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Von einer psychedelischen Lebensweise oder Einblicken in das Leben, die man durch Halluzinogene bekommen kann, wusste in der Klinik natürlich niemand etwas. Keiner konnte nachvollziehen, welche tiefen spirituellen Einblicke ich in das Leben und seine Vorgänge bekommen habe. Die Ärzte konnten nichts von dem nachempfinden. Sie nannten das „narzisstisch gefärbte inhaltliche Denkstörungen“, ich nannte es „tiefe Einblicke in das Universum“. Wer hatte Recht?
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Ich war nun 21 Jahre alt, lebte vorübergehend bei meiner Mutter und versuchte irgendwie klarzukommen

Ich schaute viel fern, ging spazieren, wirklich depressiv war ich nicht mehr. Der Trip war noch da, aber er beruhigte sich, ich beruhigte mich auch. Ich habe dann aber ein ganzes Jahr abwarten müssen, bis ich mich wieder einigermaßen normal fühlte.
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Meine Mutter machte Druck, mir eine Arbeitsstelle zu suchen. Ich schrieb einige Bewerbungen und fand einen Job direkt vor meiner Haustür. In diesem Dorf kannte jeder jeden und so wurde ich in einer kleinen Metallfabrik als Hilfsarbeiter eingestellt. 4,5 Stunden arbeitete ich jeden Morgen, obwohl ich immer noch total auf dem LSD-Trip war. Ich hatte Probleme, den Erklärungen meines Meisters zu folgen, musste Dinge oft zweimal nachfragen und es fiel mir auch nicht leicht, mit den anderen Arbeitern der Fabrik Kontakt aufzunehmen.
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Ein Meister, der schon älter war und mit seinem Bruder die Firma leitete, kam zu Beginn zu meinem Arbeitsplatz und fragte, was ich so genommen hätte. Ich meinte, dass ich viel gekifft und ab und zu Ecstasy und Kokain und Ähnliches genommen habe. Er schaute mich entgeistert an und meinte: „Häsch du gschprizet?“ (Hast dugespritzt?), und machte eine Bewegung mit der Hand, als ob er sich eine Spritze in den Arm stechen würde. Ich sagte:„Nein, nein, das nicht.“, und er rief: „Ah okay, häsch nu kifft oder?“. Ich sagte: „Ja“.
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Auf Verlangen meiner Mutter besuchte ich eine Ärztin, die meinte, sie würde mir ansehen und anmerken, noch psychotisch zu sein, und das Zyprexa auf 20 mg erhöhte. Nach einigen Wochen sagte sie mir, sie wolle mich auf ein neues Medikament einstellen, das aktivierend wirken und trotzdem meine psychotischen Anteile unter Kontrolle halten würde: Abilify.
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„Mit diesem Medikament kann ich mein Leben wieder in den Griff bekommen.“

dachte ich. Nach genau zweieinhalb Wochen war ich abends in einem Biergarten mit einer Freundin verabredet. Ich saß in meinem Zimmer am Computer, als plötzlich in meinem Kopf ein Schalter umgelegt wurde, der den ganzen Trip und alle Ängste, Verzweiflung, Paranoia von der einen auf die andere Sekunde explodieren ließ! Ich lief durch das Haus meiner Mutter und konnte nicht fassen, wie drauf ich plötzlich war. Ich nahm eine Beruhigungspille, die jedoch nichts half.
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Nach vier endlos erscheinenden Monaten des Wartens wurde ich 2009 in eine Klinik in der Nähe von Karlsruhe aufgenommen. Ich verbrachte wieder vier Monate in der Klinik, wo es mir von Tag zu Tag besser ging. Was nun aber anstand, war eine genaue Diagnose meiner Erkrankung. Die Oberärztin war sich sicher, dass ich an einer Schizophrenie litt. Die Psychologin sah dafür keine Anzeichen. Allgemein wurde mir gesagt, dass ich wie ein ganz normaler junger Mann wirke, aber ich natürlich schon große Probleme hätte. Ab dem Moment, als ich von dem Höhenflug runtergekommen war, waren mein Intellekt und mein Wesen bzw. ein bestimmter Teil von mir von allem unberührt, ich wirkte immer noch wie ein ganz normaler junger Mann. Auf den ersten Blick.
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Ich bekam die Diagnose „undifferenzierte Schizophrenie“ und „soziale Phobie“. Diesen zweiten Klinikbericht habe ich am Ende des Buchs komplett veröffentlicht. Die Ärzte schreiben in diesem Bericht nur wenig über LSD oder das Hängenbleiben, da sie sich damit nicht auskennen und alles nur durch ihnen bekannte Störungen und Symptome erklären wollen und die Diagnose ja auch anhand ihrer Bücher stellen müssen.
Ich litt in dieser Zeit noch unter starken Reizüberflutungszuständen und es ging wirklich nur sehr langsam aufwärts, aber ich hab mich Schritt für Schritt wieder ins Leben zurückgekämpft. Ich habe in monatelanger Abdosierug fast alle Medikamente abgesetzt und dadurch ging es mir auch besser. Was ich ganz wichtig finde: Wer eine Konsumzeit hinter sich hat und eventuell mit leichten oder auch schwereren Folgen zu kämpfen hat, der darf niemals den Fehler machen und die Konsumzeit verfluchen oder das Feiern als Fehler seines Lebens bezeichnen. Denn dadurch lehnt man etwas ab, was Teil des eigenen Daseins geworden ist und kommt so in einen Konflikt mit sich selbst. Der Trip ist zu meinem Freund geworden, ich habe mich mit ihm versöhnt, habe mich mit ihm verbündet. Was anderes blieb mir gar nicht übrig. Es hat aber Jahre gedauert, bis ich das erkannt habe.

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Alle Bilder in diesem Artikel sind Fotografien der Werke von Tobias Keller, Acryl auf Leinwand. Die Originale sind vom Künstler zu erwerben, Kontakt über seine Facebookseite. Tobias Keller hat sonst nichts mit der Geschichte von Crys Talix zu tun, die Zusammenstellung der Bilder erfolgte durch die Redaktion von meinedrogenpolitik.

Anmerkungen der Redaktion: Mehr als nur ein paar Wochen liegt dieser Text in meiner elektrischen Schublade. Ich habe ihn nach dem ersten Lesen lange nicht mehr angesehen, aber immer wieder darüber nachgedacht.
Die Form ist ungewöhnlich, der Autor nennt es Buch, ich würde es jetzt nicht als Buch bezeichnen. Das meine ich aber auf keinen Fall abwertend, es liegt nicht an der Qualität des Textes. Der liest sich sehr flüssig und interessant, da gibt es nichts Auszusetzen. Ich empfinde es irgendwie als Rohtext, ein Art Ereignisprotokoll, die selbstgeschriebene Krankengeschichte eines jungen Mannes, der sich einen ordentlichen psychischen Schaden zugezogen hat durch zwei Jahre intensiven Gebrauch psychedelischer Drogen. Wie diese Krankheit genau heißt, ist unklar. Crys Talix hat keine übereinstimmende Diagnose bekommen. Er selbst kann das Problem ziemlich genau definieren, er hat einfach zehn Jahre auf seinem letzten LSD-Trip verbracht. Crys Talix ist also hängengeblieben, wie man zu sagen pflegt. Dies Unklarheit, das Nichtpassen in die gängigen Diagnoseschemen, ist eines der Themen des Textes.
Es klingt wie eine Leidensgeschichte, das ist sie auch, aber die Faszination schwingt mit. Crys Talix ist immer noch „drauf“ bereut nicht, genießt nicht, sondern lebt damit. Der ungefilterte Gedankenfluss ist ihm Selbstverständlich, er musste lernen, diesen Zustand zu akzeptieren, wie wir das Wetter hinnehmen, manchmal freudig, manchmal frustriert.

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Shed the Monkey! Terence McKenna und „The Archaic Revival“

Zauberpilze sind außerirdische Lebensformen, die per Panspermie auf die Erde kamen und für die Entwicklung von Affen zum Menschen mitverantwortlich sind, sich uns in der Form des UFO metaphorisieren und uns den Weg weisen, wie wir am Ende der Geschichte (nicht der Welt), 2012, den nächsten Schritt zum Überbewusstsein erreichen, mit dem wir uns dann schnell auf den Weg zu den Sternen machen. So, das als Vorabwarnung; wer jetzt noch weiterliest, hat das Recht verwirkt, nachher süffisant zu grinsen. Diesen zugegebenermaßen zunächst etwas wirr anmutenden Gedankengang finden wir in Terence McKennas Buch The Archaic Revival.

McKenna ist eine der wichtigsten Figuren der psychonautischen Bewegung, ein charmanter Philosoph, hypnotischer Redner und mutiger Vorkämpfer eines für viele unbequemen Themas. Heute ist er leider nur noch denen ein Begriff, die sich nicht von der modernen Vorherrschaft der Ordnung, der Rationalität und des persönlichen Gesundheitswahns, also einer Weltsicht, die alles ablehnt, was planbare Wege verlässt, beherrschen lassen wollen. Für uns Psychonauten ist Ethnopharmakologie kein Relikt aus Hippiezeiten, im Gegenteil, sie ist ein Weg für die Zukunft.

McKenna greift in The Archaic Revival, einem seiner wichtigsten Bücher, unglaublich viele Themen auf und setzt sie (zugegebenermaßen hin und wieder etwas gezwungen, manchmal aber auch in unerwarteter, durchaus kluger Weise) in Zusammenhang mit psychedelischen Erfahrungen. Aus aktuellem Anlass finde ich dabei seine Meinung zur Arecibo-Botschaft spannend, nach der eine entsprechend hochstehende Kultur nicht mittels Radiowellen, sondern mittels direkter Telepathie mit uns Kontakt aufnehmen würde, wenn wir bereit dafür sind. Alles andere ist eigentlich eh, schon allein aufgrund der Wartezeiten, zum Scheitern verurteilt. Sind DMT-Visionen solche Versuche der Kontaktaufnahme?

Die Suche nach dem Spirituellen, ein weiteres der wichtigsten Themen McKennas, ist heute für viele aktueller denn je, und in uns irgendwie veranlagt. McKenna, bekennend inspiriert vom buddhistischen Monismus, beklagt den empfundenen Dualismus einerseits, der unsere Seele scheinbar vom Körper trennt, und glaubt, dass wir durch psychoaktive Stoffe diesen Dualismus irgendwann auflösen können und den haarigen Affen in uns ablegen werden.

We are not primarily biological, with mind emerging as a kind of iridescence, a kind of epiphenomenon at the higher levels of organization of biology. We are hyperspatial objects of some sort that cast a shadow into matter. The shadow in matter is our physical organism. (S. 91)

Halluzinogene Stoffe sind laut McKenna das Mittel der Wahl, wenn es um spirituelle Einsichten geht. Ich bin mir sicher, dass der eine oder andere Prophet sicherlich stoned war, als er seine Visionen hatte – doch das anzuerkennen oder sogar nur in Betracht zu ziehen, fällt vielen schwer.

I think there’s a very strong Calvinistic bias against a free lunch. The idea that you could achieve a spiritual insight without suffering, soul-searching, flagellation, and that sort of thing, is abhorrent to people because they believe that the vision of these higher dimensions should be vouchsafed to the good, and probably to them only after death. It is alarming to people to think that they could take a substance like psilocybin or DMT and have these kinds of experiences. (S. 30)

Meine erste Erfahrung mit halluzinogenen Substanzen war im Studentenwohnheim. Ein Komillitone war diesbezüglich recht erfahren, und überredete mich, über die Pizza ein paar getrocknete, übelriechende und noch schlimmer schmeckende Pilze zu streuen. Die Idee dahinter war, einen lustigen Abend zu verbringen. Das wurde es auch, zugegeben – doch für mich war es eine größere Erfahrung, als ich zunächst selbst erkannte. Es war der völlig unerwartete Eintritt in eine andere, neue, höchstfaszinierende Wahrnehmung der Welt. Für McKenna sind Pilztrips auch ganz klar kein Freizeitvergnügen, sondern echte Suche nach der Wahrheit, nach neuen Einsichten, nach einer neuen Stufe des Bewusstseins. Wer nur Spaß haben will, für den ist das „Fleisch der Götter“ nichts.

TM: I think that if you do these things right, they give you plenty to think about. One thing that people do that I’m definitely opposed to is to diddle with it. If you’re not taking so much that going into it you’re afraid you did too much, then you didn’t do enough. Not the way people will take it to go to the movies, go to the beach, this and that. No, I talk about what I call „heroic“ doses and „committed“ doses. And if you only do heroic doses, then every trip will count. (…)
JL: What is a „heroic“ dose of psilocybin?
TM: Five dried grams. Five dried grams will flatten the most resistant ego. (S. 15)

5 Gramm getrocknete psilocybe cubensis sind wirklich eine deftige Menge, und, obwohl es praktisch unmöglich ist, sich an Psilocybin in Pflanzenmasse überzudosieren, haut das wohl jeden völlig aus den Stiefeln, der nicht, wie McKenna, jahrzehntelang experimentiert hat. Nichts für Spieler also, denn die Erfahrung kann den Erfahrenden verändern.

It [Psilocybin] holds the possibility of transforming the entire species [humans] simply by virtue of the information that comes through it. Psilocybin is a source of gnosis, and the voice of gnosis has been silenced in the Western mind for at least a thousand years. (S. 97)

Diese Kommunikation mit der Wahrheit gibt es laut McKenna nur bei Tryptaminen, nicht bei anderen psychotropen Substanzen wie LSD, das McKenna immer als Abklatsch und wenig spirituell im Vergleich sieht. Tatsächlich ist das Konzept des „Anderen“ bei Einnahme von Psilocybin deutlich spürbar, und im Gegensatz zu LSD, das die visuellen Eindrücke hauptsächlich geometrisch darstellt und aus dem eigenen Ego bezieht, fühlt sich ein Pilztrip organischer, fremdartiger an. Ist der Pilz also ein Orakel, das einem Fragen beantworten kann?

I don’t necessarily believe what the mushroom tells me; rather we have a dialogue. It is a very strange person and has many bizarre opinions. (S. 47)

Nun gilt das aber auch für McKenna selbst. Ohne Zweifel ist er ein überzeugter Psychonaut, der in einer unglaublich mitreißenden Weise über sein Thema spricht. Das Problem mit dieser Art der Diskussion ist aber, dass man nur, wenn man selbst zumindest ansatzweise diese Erfahrungen teilt, nachvollziehen kann, worüber er redet – und vor allem, wie er darüber redet. Viele der Ideen McKennas würde man einfach als spinnertes Gelaber eines durchgeknallten Drogensüchtigen abtun, wenn man selbst nicht schon die Dimensionen gesehen hätte, von denen McKenna redet. Sicherlich ist seine Interpretation sehr spekulativ und extrem in jeder Form, doch gleichzeitig betont er immer wieder, dass es das persönliche Erleben ist, das zählt, die direkte Erfahrung. McKenna will eben keine Religion gründen, die auf Weitergabe aus zweiter oder dritter Hand beruht und nur von Priestern geleitet wird. So, wie man McKenna dann halt entweder für einen Spinner hält, oder für einen modernen Erleuchteten, muss man sich auch bei Halluzinogenen entscheiden, wie man ihnen gegenübersteht.

You either love them [hallucinogens] or you hate them, and that’s because they dissolve worldviews. If you like the experience of having your entire ontological structure disappear out from under you – if you think that’s a thrill – you’ll probably love psychedelics. On the other hand, for some people that’s the most horrible thing they can imagine. (S. 160)

Mir persönlich hat McKenna den Weg gewiesen, die Eindrücke, die man auf psychonautischen Reisen sammelt, zu interpretieren und für sich selbst zu nutzen – er ist ein Lehrer im besten Sinne, obwohl er körperlich nicht mehr unter uns weilt. Viele Drogen werden grundsätzlich negativ dargestellt in unserer modernen Gesellschaft, zum Teil gewiss, weil sie, wie eben zitiert, Fragestellungen aufwerfen, die strukturzersetzend wirken könnten, und das wird als gefährlich wahrgenommen. Doch die positiven Effekte dieser natürlichen Hilfsmittel zur Selbsterkenntnis, die es schon viel länger gibt als die Ratio, die wir so hoch schätzen, können einfach nicht unterbewertet werden. Eines der schönsten Zitate McKennas, das seine so weltbefürwortende Einstellung, seinen Humanismus so wunderbar demonstriert, möchte ich ans Ende dieses Artikels stellen. Lassen wir ihn einfach selbst sprechen.

Nature loves courage. You make the commitment and nature will respond to that commitment by removing impossible obstacles. Dream the impossible dream and the world will not grind you under, it will lift you up. This is the trick. This is what all these teachers and philosophers who really counted, who really touched the alchemical gold, this is what they understood. This is the shamanic dance in the waterfall. This is how magic is done. By hurling yourself into the abyss and discovering it’s a feather bed.

Wer mehr über ihn aus erster Hand, aus seinem eigenen Mund, erfahren will, kann sich seine Vorträge hier kostenlos anhören. Er war ein begnadeter, humorvoller Redner, dem man stundenlang lauschen kann. Terence McKenna darf nicht in Vergessenheit geraten, gerade in einer Zeit, die spirituelle Führung nötiger hat denn je.

Wie wir mal in Zungen redeten

Das war sicher nicht zu Pfingsten. Das wäre viel zu früh im Jahr gewesen und daher nachts zu kalt. Denn die fremden Sprachen ereilten uns nachts beim Lagerfeuer am Ufer eines Sees in der Voreifel. Der Zauberkollege und ich trafen uns zu einem philosophischen Abend im freien. Dazu sammelten wir einen ausreichenden Vorrat Feuerholz und nahmen gegen Sonnenuntergang auf leeren Magen eine anständige Portion Pilze. Gegen Mitternacht dann zündete das Gedankenfeuerwerk. So hätte es bleiben können, farbintensives Tüterauchen mit berauschtem Geschwätz. Doch der entscheidende Impuls kam von anderen. Eine Rauhe Stimme hallte aggressiv über den See: Feuer aus!!!

Wir erschraken und besprachen uns leise. Der Zauberkollege meinte, das käme von der Hütte des Angelvereins. Die hätten wirklich so eine Art Hausrecht am See. Aber wir wollten das Feuer nicht aus machen. Außerdem stand zu vermuten, daß sie so betrunken waren, wie wir verstrahlt und daher wohl keine nächtliche Waldwanderung mehr unternähmen. Andererseits gelüsteten wir nicht nach eine persönlichen Auseinandersetzung mit der Landjugend. In dieser leicht angespannten Situation brachen unbekannte Worte hervor. Aus gelockerten Kehlköpfen formten wir Laute und Silben zu fühlbaren Sinnzusammenhängen. Wir spannen einen Dialog aus Fragen und Antworten, möglichst weit hörbar laut und aggressiv. Die Sprache kannten wir nicht und auch nicht den Inhalt des gesagten. Aber wir dachten, es müsse eine afrikanische Sprache sein, weil es so klang, wie wenn Westafrikaner Französisch sprechen, tief, grollend, schnell mit intensivem Rhythmus. Wir hielten das Gespräch eine Weile am Laufen. Solange eben, wie zwei verpilzte es interessant finden, sich selbst zuzuhören, ohne ein Wort zu verstehen. Von der anderen Seite des Sees blieb es ruhig und wir wurden in keiner Weise mehr behelligt, von einer unspektakulären Ufo-Sichtung einmal abgesehen. Wir bildeten uns ein, die Landjugend hätte keine Lust auf eine persönliche Auseinandersetzung mit unbekannten, minimalintegrierten Ausländern und freuten uns über unsere Genialität.

Später haben wir das noch einmal vor Publikum versucht. Eines Nachmittags im Herbst kamen wir direkt von der Wiese und besuchten in gelöster Stimmung einen alten, erfahrenen Krautmann. Der jedoch war auf eine andere Frequenz eingestellt und als die fremde Sprache erklang machte er ein extrem besorgtes Gesicht. Wir genossen ein wenig beängstigende Wirkung unseres Tuns, aber unterließen weitere Verunsicherungen. Danach verfolgte ich die Kunst des Zungenredens nicht weiter.

 

Wir sind viele klein

Manche meinen, alles hängt mit allem zusammen. Das halte ich für möglich, aber sehr schwer nachzuvollziehen. Irgendwo las ich mal sie hätten bei einem Freestyle-Rapper während des Improvisierens die Hirnaktivität gemessen. Der Künstler konnte wohl irgendwelche hemmenden Areale willentlich ausschalten. Die Sprechzentren flottierten frei während die innere Zensur auf Urlaub war. Sozusagen die elementarste Form persönlicher Meinungsfreiheit.

Tanztee – Rezeptvorschlag für Kräuterfreunde

Schon die Schule verpasste uns ja eine ordentliche Portion Standesdünkel. Als Gymnasiast war man selbstverständlich offen für pflanzliche Rauschmittel aller Art. Dafür hegten wir Vorurteile gegen chemische Drogen. Aus dieser Geisteshaltung ist erklärlich, dass ich versuchte, einen anregenden Kräutertee selber zu brauen. Die Zauberkraft sollten selbst gesammelte Psilocybinpilze (psilocybe semilanceata) bewirken. Die können einen ganz schön aus der Bahn werfen, wie ich beim Zauberpilzblogger ausführlich beschrieb. Also brauchte es ein Kraut, das beständig fröhlich und wach hält. Da bot sich Meerträubel, also Ephedra an. Das stand schließlich beim Tanzsportverband auf der Dopingliste, war aber vor 2006 noch mehr oder weniger frei erhältlich.

In einer kleinen Vorstadt-Apotheke verweigerte man mir das Kraut. Der alte Chef schaute ziemlich verdattert, als ich ihm frei heraus erzählte, ich wollte damit zum Freizeitvergnügen experimentieren. Er hatte wohl auf eine phantasievolle Lügengeschichte spekuliert. In der altehrwürdigen Apotheke am Bonner Marktplatz dagegen wurde ich anstandslos bedient. Eine desinteressierte junge Helferin nahm die Bestellung auf und am nächsten Tag erhielt ich eine rote Papiertüte mit einem Jahresvorrat Herba ephedra für fünf Euro.

Für den Ephedra-Tee ließ ich einen Esslöffel Kraut pro Tasse zehn Minuten sprudelnd kochen. Dann die Temperatur reduzieren und in nicht mehr kochendem Wasser 15 Pilze pro Person gute 15 bis 20 Minuten ziehen lassen. Die Brühe schmeckte nicht eben delikat, ein merkwürdig bitterer Belag blieb im Mund, etwa eine halbe Stunde, dann setzte die Wirkung ein. Die war wunschgemäß heiter und anregend. Eine körperliche und geistige Leichtigkeit erfüllte mich, ganz ähnlich wie wenn man nach dem Sport auf nüchternen Magen schnell ein Bier kippt. Während beim Bier dieser angenehme Zustand aber meist schnell überschritten wird, hielt mein Tee das Level konstant mehr als drei Stunden. Ab und zu glaubte ich, persönliche Nachrichten vom DJ zu empfangen, das störte aber nicht das Tanzvergnügen. Allein, die Mischung war noch nicht ganz perfekt: Nach den drei Stunden hörte die Pilzwirkung auf, während das Ephedra weiterhin seine wache, krautige und irgendwie langweilige Erregtheit verbreitete. Heute würde ich das Ephedra herunterdosieren und stattdessen mit aufhellenden Zusätzen wie Vitamin C oder Honig zur Geschmacksverbesserung experimentieren.

Das sagt Wikipedia zu Ephedra-Pflanzen und das zu Ephedrin.

Meerträubel Samen

Ephedra-Kraut gibt es seit 2006 in Deutschland nur auf Rezept. Die Pflanze enthält neben dem „freien“ Pseudoephedrin nämlich auch das verschreibungspflichtige Diastereomer Ephedrin. Besitzer einer Pharmafabrik können die Wirkstoffe trennen und Rezeptfreie Erkältungsmittel mit Pseudoephedrin verkaufen. Balkongärtner aber müssen sich hüten. Diese Meerträubelsamen verhielten sich bislang gesetzeskonform und verweigerten die Keimung auf deutschem Boden.

 

 

Trance mit Zauberpilzen – Ein Bericht mit Bildern

SAMSUNG CAMERA PICTURES Angst vor Kontrollverlust hielt mich fest. Einmal aber war keiner da, dem ich meine Angst klagen konnte. Die Angst langweilte sich allein mit mir. Die Gedanken beruhigten sich, der Körper entspannte. Ich saß im Lotossitz ohne Schmerzen. Die Angst, einst ein wilder Mückenschwarm, verwandelte sich in einen sanften seidenen Schleier. Ein ruhiger Gedanke sprach: Wenn von den gesammelten Pilzen einer falsch war, könntest du hier sterben. Da öffnete sich ein Tunnel. Ich betrat einen dunklen Gang, gebaut aus Knochen und Schädeln, die bestanden aus Schatten. SAMSUNG CAMERA PICTURES Der Tunnel führte abwärts, ich fiel und schwebte, glitt sanft hinunter in den Himmel. Dort war Stille, Licht, Heiterkeit. Ich saß auf einer Kugel. Die Kugel war mein Atem. Mein Atem war der laue Hauch, der alles im Himmel bewegte und gleichzeitig in unbewegtem, vollkommenen Gleichgewicht hielt. Ich war allein dort. Ich war – glücklich trifft es nicht, nein: zufrieden, ruhig, friedlich. SAMSUNG CAMERA PICTURES Nachtrag vom 21.05.: Soundtrack zum Trip: „For Musicians Only“ mit Dizzy Gillesby, Stan Getz und Sonny Stitt. Das erste Lied kommt zum Schluss noch mal in ner 15-Minuten-Version. Wenn man das wegen der Pilze vergisst, schickt es extra gruselig…
AW
13.06.2015: Vollständiger Tripbericht seit dieser Woche im Zauberpilzblog zu lesen.