Kif-Stories von Mohamed Mrabet und Paul Bowles

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Irgendwo las ich mal, es sei urheberrechtlich bedenklich, das Foto eines Buchtitels aus Privatbesitz zu veröffentlichen. Das würde mich zwar nicht weiter kümmern. Aus Spaß jedoch stellte ich den Titel von M’hashish mit eigenen Mitteln sinngemaß nach.

Als Jugendlicher las ich „M’hashish“ vom marokkanischen Erzähler Mohamed Mrabet. Es elektrisierte mich, lange trug ich es als Kiffer-Bibel vor mir, schließlich brachte es mir meine Lieblingspfeife nahe. Das Buch ist total verkifft, eben M’hashish, was wohl verwirrt, zugedröhnt, oder lautmalerisch: vermatscht bedeutet. Aber die Droge spielt keine Rolle, sondern ist Selbstverständlichkeit, so wie Dosenbier für Bukowski. Mrabet ist ein besonderer Autor, der auf ungewöhnliche Art veröffentlicht. Der Übersetzer, Bowles steht gleichberechtigt neben Mrabet auf dem Umschlag. Bowles übersetzte nicht nur, er schrieb, während Mrabet die Geschichten erzählte, im Dialekt, der keine Schrift hat. Ich forschte mit bescheidenen Mitteln als Schüler ohne Internet. Ich entdeckte zwei weitere Bücher von M’rabet/Bowles. Dann las ich „Himmel über der Wüste“ von Bowles und verlor das Interesse an weiteren Nachforschungen. Der Schriftsteller Bowles beeindruckte mich nicht.

M’hashish ist eine Sammlung kurzer Geschichten über Rif-Berber, die auf dem Land ihr Hanffeld bestellen, meist aber in der Vorstadt leben im Marokko der Endphase französischer Kolonialherrschaft. Mit saftigem, außerehelichem Sex direkt in der ersten Erzählung beweist das Autorengespann sein können. Es geht oft um Sex bei Mrabet, aber nie um Liebe, nur um Macht. In diesem Fall demütigt die Frau ihren Ehemann. Entgegen aller Vorurteile ist der Ehebruch für die konservativen Moslems aber eine Kleinigkeit, die bei ein paar Kifpfeifen bereinigt ist. Sterben muß in M’hashsish einzig ein gemeiner Dieb, der einem Hanfbauern die Ernte klauen will. Es gibt halt gewisse Grenzen. ISBN-13: 978-3922708490

Harmlose Gifte, verzeihliche Sünden: Im Grunde eine ähnliche Geschichtensammlung, aber komplett in einer märchenhaften vormodernen Welt angesiedelt. Es geht um die Abenteuer des Hadidan Aharam, eine Art rustikaler Eulenspiegel, mit gefülltem Kifbeutel und geschulteter Axt. Leute, die seinen Zorn erregen, müssen geköpft werden. Aber sonst geht es lebensfroh zu: Mal hilft er jungen Bräuten beim Ehebruch, böswillige Feinde werden betäubt und vergewaltigt, mit der Frau eines hohen Herren muss er auf dem Marktplatz die Vor- und Nachteile des Analverkehrs diskutieren. Seinen Lebensunterhalt verdient sich Hadidan indes mit kleinen Betrügereien und Hinterlist. ISBN-13: 978-3875122053

Mohammed und Mina, ein ausgewachsener Roman, schließlich ist überhaupt nicht heiter. Es wird ja auch nicht viel gekifft. Mrabet erzählt die grauenhafte Geschichte eines jungen Mannes, der als Hausangestellter eines Amerikaners für dessen leibliches Wohl sorgt, bei Tisch und im Bett. Mit dem üppigen Verdienst versucht er, eine bürgerliche Existenz aufzubauen mit Frau Mina und bald einem Sohn. Mohammed jedoch ist emotional zerstört, die anfänglich zauberhafte Liebe entgleitet ihm schnell, die Ehe gerät zum Krieg. Mohamed wird durch einen Giftanschlag seiner Frau verkrüppelt, er wiederum verstößt Mina, die mit ihrem Kind als Bettlerin endet. Beklemmend zu lesen, vor allem wenn Autor und Protagonist den selben Namen tragen und Mrabet ja Jahrelang bei Bowles als Hausangestellter gelebt hat. ISBN-13: 978-3596146635

Heute zeigt mir Wikipedia, es gäbe es noch viel von Mrabet zu lesen. Und auch Bowles hat noch einige andere Marokkaner übersetzt. Hier eine Kurzbiografie mit weiteren Werken Mrabets.und hier eine Art Interview mit Mrabet in der NZZ von 2012.

AW

 

9 Gedanken zu “Kif-Stories von Mohamed Mrabet und Paul Bowles

  1. Das sind ja mal interessante Lesetipps… und vor allem zeigen sie eine ganz andere Seite vom Orient, als manche Muslime uns heute glauben machen wollen. Sollte vielleicht Pflichtlektüre neben dem Koranunterricht werden.

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    • Ja, da ist wohl rund ums Mare nostrum viel schief gelaufen die letzten 50 Jahre. Und da wo Du wohnst weiß man ja auch ganz gut, wie das endet, wenn die einzigen Autoritäten, an die sich arme Menschen mit ihren Problemen wenden können, die Kirchenfürsten und die Großgrundbesitzer sind. Praktischerweise sitzen die ja dann gern beieinander und haben womöglich noch den selben Familiennamen.

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