Shed the Monkey! Terence McKenna und „The Archaic Revival“

Zauberpilze sind außerirdische Lebensformen, die per Panspermie auf die Erde kamen und für die Entwicklung von Affen zum Menschen mitverantwortlich sind, sich uns in der Form des UFO metaphorisieren und uns den Weg weisen, wie wir am Ende der Geschichte (nicht der Welt), 2012, den nächsten Schritt zum Überbewusstsein erreichen, mit dem wir uns dann schnell auf den Weg zu den Sternen machen. So, das als Vorabwarnung; wer jetzt noch weiterliest, hat das Recht verwirkt, nachher süffisant zu grinsen. Diesen zugegebenermaßen zunächst etwas wirr anmutenden Gedankengang finden wir in Terence McKennas Buch The Archaic Revival.

McKenna ist eine der wichtigsten Figuren der psychonautischen Bewegung, ein charmanter Philosoph, hypnotischer Redner und mutiger Vorkämpfer eines für viele unbequemen Themas. Heute ist er leider nur noch denen ein Begriff, die sich nicht von der modernen Vorherrschaft der Ordnung, der Rationalität und des persönlichen Gesundheitswahns, also einer Weltsicht, die alles ablehnt, was planbare Wege verlässt, beherrschen lassen wollen. Für uns Psychonauten ist Ethnopharmakologie kein Relikt aus Hippiezeiten, im Gegenteil, sie ist ein Weg für die Zukunft.

McKenna greift in The Archaic Revival, einem seiner wichtigsten Bücher, unglaublich viele Themen auf und setzt sie (zugegebenermaßen hin und wieder etwas gezwungen, manchmal aber auch in unerwarteter, durchaus kluger Weise) in Zusammenhang mit psychedelischen Erfahrungen. Aus aktuellem Anlass finde ich dabei seine Meinung zur Arecibo-Botschaft spannend, nach der eine entsprechend hochstehende Kultur nicht mittels Radiowellen, sondern mittels direkter Telepathie mit uns Kontakt aufnehmen würde, wenn wir bereit dafür sind. Alles andere ist eigentlich eh, schon allein aufgrund der Wartezeiten, zum Scheitern verurteilt. Sind DMT-Visionen solche Versuche der Kontaktaufnahme?

Die Suche nach dem Spirituellen, ein weiteres der wichtigsten Themen McKennas, ist heute für viele aktueller denn je, und in uns irgendwie veranlagt. McKenna, bekennend inspiriert vom buddhistischen Monismus, beklagt den empfundenen Dualismus einerseits, der unsere Seele scheinbar vom Körper trennt, und glaubt, dass wir durch psychoaktive Stoffe diesen Dualismus irgendwann auflösen können und den haarigen Affen in uns ablegen werden.

We are not primarily biological, with mind emerging as a kind of iridescence, a kind of epiphenomenon at the higher levels of organization of biology. We are hyperspatial objects of some sort that cast a shadow into matter. The shadow in matter is our physical organism. (S. 91)

Halluzinogene Stoffe sind laut McKenna das Mittel der Wahl, wenn es um spirituelle Einsichten geht. Ich bin mir sicher, dass der eine oder andere Prophet sicherlich stoned war, als er seine Visionen hatte – doch das anzuerkennen oder sogar nur in Betracht zu ziehen, fällt vielen schwer.

I think there’s a very strong Calvinistic bias against a free lunch. The idea that you could achieve a spiritual insight without suffering, soul-searching, flagellation, and that sort of thing, is abhorrent to people because they believe that the vision of these higher dimensions should be vouchsafed to the good, and probably to them only after death. It is alarming to people to think that they could take a substance like psilocybin or DMT and have these kinds of experiences. (S. 30)

Meine erste Erfahrung mit halluzinogenen Substanzen war im Studentenwohnheim. Ein Komillitone war diesbezüglich recht erfahren, und überredete mich, über die Pizza ein paar getrocknete, übelriechende und noch schlimmer schmeckende Pilze zu streuen. Die Idee dahinter war, einen lustigen Abend zu verbringen. Das wurde es auch, zugegeben – doch für mich war es eine größere Erfahrung, als ich zunächst selbst erkannte. Es war der völlig unerwartete Eintritt in eine andere, neue, höchstfaszinierende Wahrnehmung der Welt. Für McKenna sind Pilztrips auch ganz klar kein Freizeitvergnügen, sondern echte Suche nach der Wahrheit, nach neuen Einsichten, nach einer neuen Stufe des Bewusstseins. Wer nur Spaß haben will, für den ist das „Fleisch der Götter“ nichts.

TM: I think that if you do these things right, they give you plenty to think about. One thing that people do that I’m definitely opposed to is to diddle with it. If you’re not taking so much that going into it you’re afraid you did too much, then you didn’t do enough. Not the way people will take it to go to the movies, go to the beach, this and that. No, I talk about what I call „heroic“ doses and „committed“ doses. And if you only do heroic doses, then every trip will count. (…)
JL: What is a „heroic“ dose of psilocybin?
TM: Five dried grams. Five dried grams will flatten the most resistant ego. (S. 15)

5 Gramm getrocknete psilocybe cubensis sind wirklich eine deftige Menge, und, obwohl es praktisch unmöglich ist, sich an Psilocybin in Pflanzenmasse überzudosieren, haut das wohl jeden völlig aus den Stiefeln, der nicht, wie McKenna, jahrzehntelang experimentiert hat. Nichts für Spieler also, denn die Erfahrung kann den Erfahrenden verändern.

It [Psilocybin] holds the possibility of transforming the entire species [humans] simply by virtue of the information that comes through it. Psilocybin is a source of gnosis, and the voice of gnosis has been silenced in the Western mind for at least a thousand years. (S. 97)

Diese Kommunikation mit der Wahrheit gibt es laut McKenna nur bei Tryptaminen, nicht bei anderen psychotropen Substanzen wie LSD, das McKenna immer als Abklatsch und wenig spirituell im Vergleich sieht. Tatsächlich ist das Konzept des „Anderen“ bei Einnahme von Psilocybin deutlich spürbar, und im Gegensatz zu LSD, das die visuellen Eindrücke hauptsächlich geometrisch darstellt und aus dem eigenen Ego bezieht, fühlt sich ein Pilztrip organischer, fremdartiger an. Ist der Pilz also ein Orakel, das einem Fragen beantworten kann?

I don’t necessarily believe what the mushroom tells me; rather we have a dialogue. It is a very strange person and has many bizarre opinions. (S. 47)

Nun gilt das aber auch für McKenna selbst. Ohne Zweifel ist er ein überzeugter Psychonaut, der in einer unglaublich mitreißenden Weise über sein Thema spricht. Das Problem mit dieser Art der Diskussion ist aber, dass man nur, wenn man selbst zumindest ansatzweise diese Erfahrungen teilt, nachvollziehen kann, worüber er redet – und vor allem, wie er darüber redet. Viele der Ideen McKennas würde man einfach als spinnertes Gelaber eines durchgeknallten Drogensüchtigen abtun, wenn man selbst nicht schon die Dimensionen gesehen hätte, von denen McKenna redet. Sicherlich ist seine Interpretation sehr spekulativ und extrem in jeder Form, doch gleichzeitig betont er immer wieder, dass es das persönliche Erleben ist, das zählt, die direkte Erfahrung. McKenna will eben keine Religion gründen, die auf Weitergabe aus zweiter oder dritter Hand beruht und nur von Priestern geleitet wird. So, wie man McKenna dann halt entweder für einen Spinner hält, oder für einen modernen Erleuchteten, muss man sich auch bei Halluzinogenen entscheiden, wie man ihnen gegenübersteht.

You either love them [hallucinogens] or you hate them, and that’s because they dissolve worldviews. If you like the experience of having your entire ontological structure disappear out from under you – if you think that’s a thrill – you’ll probably love psychedelics. On the other hand, for some people that’s the most horrible thing they can imagine. (S. 160)

Mir persönlich hat McKenna den Weg gewiesen, die Eindrücke, die man auf psychonautischen Reisen sammelt, zu interpretieren und für sich selbst zu nutzen – er ist ein Lehrer im besten Sinne, obwohl er körperlich nicht mehr unter uns weilt. Viele Drogen werden grundsätzlich negativ dargestellt in unserer modernen Gesellschaft, zum Teil gewiss, weil sie, wie eben zitiert, Fragestellungen aufwerfen, die strukturzersetzend wirken könnten, und das wird als gefährlich wahrgenommen. Doch die positiven Effekte dieser natürlichen Hilfsmittel zur Selbsterkenntnis, die es schon viel länger gibt als die Ratio, die wir so hoch schätzen, können einfach nicht unterbewertet werden. Eines der schönsten Zitate McKennas, das seine so weltbefürwortende Einstellung, seinen Humanismus so wunderbar demonstriert, möchte ich ans Ende dieses Artikels stellen. Lassen wir ihn einfach selbst sprechen.

Nature loves courage. You make the commitment and nature will respond to that commitment by removing impossible obstacles. Dream the impossible dream and the world will not grind you under, it will lift you up. This is the trick. This is what all these teachers and philosophers who really counted, who really touched the alchemical gold, this is what they understood. This is the shamanic dance in the waterfall. This is how magic is done. By hurling yourself into the abyss and discovering it’s a feather bed.

Wer mehr über ihn aus erster Hand, aus seinem eigenen Mund, erfahren will, kann sich seine Vorträge hier kostenlos anhören. Er war ein begnadeter, humorvoller Redner, dem man stundenlang lauschen kann. Terence McKenna darf nicht in Vergessenheit geraten, gerade in einer Zeit, die spirituelle Führung nötiger hat denn je.

12 Gedanken zu “Shed the Monkey! Terence McKenna und „The Archaic Revival“

  1. Ein sehrsehr guter und interessanter Text. Ich hab ein paar Pilzerfahrungen gemacht, vor Jahren, und habe das auch als einen besonderen Trip erlebt, der sich deutlich von LSD unterscheidet.
    In einer NAhct saßen wir am russischen Ehrenmal und ich habe sehr vieles begriffen.

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  2. Dankeschön für deinen Beitrag! Ich habe vielleicht meinen kleinen Zeh reingesteckt und dennoch: Der Lerneffekt war enorm.

    Demnächst experimentiere ich wieder mit Salvia Divinorum. Mein Gehirn bekommt dann sicher einen Berg an Arbeit zugeteielt 😋

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  3. Pingback: Haitianischer Lebkuchen – Florita Pete Panno Amer Traditionnel Haïtien – schlimmerdurst.net

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